Dietmar Zöller

Wer bin, ich nachdem mein Vater und mein Bruder nicht mehr kommen können? - 26.01.24

 

Ich bin ein anderer geworden, nachdem ich jahrelang mit den Themen Sterben und Tod fertig werden musste. Die Bilanz der letzten Jahre: ich bin nicht nur älter geworden, sondern reifer. Ich treffe Entscheidungen für mein Leben und bin dankbar, für die Lebenszeit, die mir bis heute geschenkt wurde. Vor meinem eigenen Tod habe ich keine Angst. Angst aber habe ich vor dem Tod meiner Mutter. Sie hat mich mein Leben lang begleitet, und ihr verdanke ich es, dass ich eigene Entscheidungen treffen kann und geschäftsfähig bin, wenn ich einfühlsame Menschen finde, die ich Assistenten nenne. Ich werde bis zu meinem Ende auf Assistenz angewiesen sein. Dankbar bin ich, dass ich in einem demokratischen Staat lebe, in dem die Rechte der Menschen gesichert sind, die auf Unterstützung angewiesen sind. Nachdenklich und aufgewühlt verfolge ich, was in Deutschland und in der Welt passiert. Und worüber denke ich in schlaflosen Nächten nach? Themen, die mich faszinieren, während andere Menschen Hobbys verfolgen:
Familiengeschichte
Ahnenforschung,
Geschichte allgemein,
Deutsche Geschichte,
die Geschichte der Welt,
fremde Kulturen und Sprachen,
Religionen und Religionsgeschichte,
Theologie, so wie Vater und Mutter sie studiert haben,
Literatur und Dichtung.

Wenige Tage vor seinem Tod sagte ich mit brüchiger Stimme zu Vater, ich wäre gern Theologe geworden. Vater verstand, was ich sagte, und seine Augen blitzen für einen Moment auf. Als ich vor wenigen Tagen mal wieder erlebte, wie meine Mutter meiner neuen Assistentin Andjela, die aus Serbien kommt, die deutsche Sprache zu vermitteln versuchte, sagte ich: "Ich wäre gern Lehrer geworden." Ich bin dankbar, dass ich in meinem Elternhaus soviel lernen konnte. Was ich gelernt habe, ist ein Schatz, den mir niemand wegnehmen kann. Im Vergleich mit den Menschen in Kriegsgebieten geht es mir gut.


us