Dietmar Zöller

Therapeutisches Schreiben

Der therapeutische Wert des Schreibens
Von Dietmar Zöller
Die Auseinandersetzung um die Gestützte Kommunikation (FC) hat dazu geführt, dass der therapeutische Wert des Schreibens gar nicht ins Blickfeld gekommen ist. Und dabei müsste doch klar sein, dass chaotische Sinneserfahrungen strukturiert werden, wenn ich etwas darüber schreibe. Auch die Gefühle können mit Hilfe des Schreibens geordnet und bewusst gemacht werden. Ich habe mal über den „Gefühlsbrei“ geschrieben, der Unruhe schafft, wenn das einzelne Gefühl nicht identifiziert und benannt werden kann. Dabei braucht man zuerst Interpretationshilfen. Ich selbst bekam diese Hilfen von meiner Mutter beim Spiel mit Handpuppen und einer großen Puppe, die mir eine Freundin ersetzte und der meine Mutter eine Stimme gab.
Ich selbst lernte früh aufzuschreiben, was ich erlebte. So bekam ich allmählich die verzerrten Sinneswahrnehmungen in den Griff. Sie verschwanden nicht, aber ich hatte eine Möglichkeit, sie schreibend zu hierarchisieren und zu strukturieren.
Das Schreiben mit der Hand brachte natürlich Probleme mit sich. Um einen Stift halten zu können, muss man in der Lage sein ihn taktil zu spüren, das gelingt nicht immer. Aber noch schwieriger ist es, so viel Druck zu entwickeln, dass der Stift nicht aus der Hand fällt. Dann muss der Stift die Unterlage berühren, d.h. der Schreibende muss spüren, wann Stift oder Feder den Papierkontakt haben. Die visuelle Kontrolle allein reicht nicht. Es geht ums Spüren. Das ist das Hauptproblem. Dann kommt die Bewegungskontrolle dazu. Meine Hand- und Armgelenke verändern, während ich schreibe, ihre Stellung im Raum. Ich muss alle Prozesse willentlich kontrollieren.
Wie kann man diesen äußerst komplizierten Vorgang erleichtern? Eine orthopädische Bandage, die das Handgelenk stabilisiert, hilft viel.
Aber am Anfang, wenn ein Kind das Schreiben lernen soll, bedarf es umfassenderer Unterstützung. Eine Stützperson legt ihre Hand auf die Hand der Person, die schreiben soll. Dass das funktioniert, hat R. Oppenheim schon vor ca 40 Jahren beschrieben.
Es ist aber auch möglich, während der ersten Übungsphase die Hand zu führen. Dann steht im Fokus des Interesses nicht das selbstständige Formulieren, sondern das Einüben des motorischen Ablaufs. Zum selbstständigen Formulieren wird nur das Kind kommen, das über ein entsprechendes geistiges Potential verfügt.
Welche Bedeutung kann das Schreiben mit der Hand im Erwachsenenalter haben? Ich lernte etwas von einer Parkinsonkranken. Sie schrieb mir eines Tages einen Brief in Schönschrift auf liniertem Papier, wie Erstklässler es benutzen, und erklärte dazu, dass sie das aus therapeutischen Gründen machen müsse, um nicht die Fähigkeit zu schreiben zu verlieren.
Nun schreibe ich auch betont langsam und forme jeden Buchstaben genau aus. Ich merke, dass ich dabei immer ruhiger werde. Ich hoffe, dass ich durch Üben die neurologischen Probleme noch besser in den Griff bekomme.
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