Dietmar Zöller

Innere Sprache

Innere Sprache

 

Ich finde, dass sich die innere Sprache bei mir altersgemäß entwickelt hat. Es waren am Anfang nur Wörter, die gespeichert waren. Ich hätte ja Wörter nachsprechen sollen, was aber unmöglich war, weil ich nicht begriff, was ich mit dem Mund machen sollte. Ich hatte kein Gefühl für den Mund. Der Mund war, bildlich gesprochen, ein Loch. Ohne Unterstützung brachte ich auch keine Nahrung hinein. Da war das verhaltenstherapeutische Training aus heutiger Sicht sehr hilfreich und nützlich.

 

Wann genau die innere Sprache so differenziert war, dass ich innerlich ganze Sätze formulierte, weiß ich nicht genau.

Innere Sprache hat mir von Kindheit an das Denken ermöglicht. Ich denke nämlich nicht (wie z.B. Temple Grandin) in Bildern, sondern indem ich innerlich spreche.-

 

Wie ist das heute mit den Selbstgesprächen?

Ich führe in Gedanken anspruchsvolle Dialoge mit Personen, die mir nahe stehen. Da läuft viel mehr, als ich sprachlich nach außen transportieren kann. Ich führe auch innerlich Telefongespräche. Dabei ist die Stimme des Gesprächspartners ganz real, d.h. ich höre innerlich die vertraute Stimme.

Auch Emotionen spielen bei den inneren Dialogen eine Rolle.

Wenn die Motorik beim Sprechen selbstverständlicher abliefe und mit den Gedanken besser verknüpft wäre, gäbe es für mich immer noch die innere Sprache als die Möglichkeit, differenzierte Sachverhalte zu denken, allerdings ohne sie zu kommunizieren. Was ich schreibe, bleibt immer hinter dem zurück, was ich gedacht habe.

 

Ich bin überzeugt, dass es unmöglich ist, einen Menschen mit frühkindlichem Autismus, der keine Verbalsprache entwickelt hat, zu testen. Auch nachdem ich schreiben gelernt hatte und heute  mit großer Anstrengung Sätze herausbringe, die Außenstehende nicht auf Anhieb verstehen, könnte ich vermutlich in einer Testsituation nicht in Motorik umsetzen, was ich weiß und was irgendwo in meinem Gehirn gespeichert ist. 

 

Selbstgespräche müssen keine Halluzinationen beinhalten. In meinem Fall wurden die Selbstgespräche einer Notlösung, die half, mir die Welt mit dem Intellekt zu erschließen. Was normal entwickelte Kinder in kommunikativen Situationen lernen, musste ich mir als Kind in der Fantasie aneignen.

 

Innere Monologe, wie sie in moderner Literatur vorkommen, sind für mich, der ich (auch als Erwachsener) nur mit großer Anstrengung sprechen kann und oft gar nicht verstanden werde, eine Fundgrube, um nachvollziehen zu können, was gesunde Menschen empfinden.

 

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