Dietmar Zöller

Leo Kanner (1943) Übersetzung

Den folgenden Text habe ich vor ca. 18 Jahren übersetzt. Es war eine Auftragsarbeit die zusammen mit anderen Quellentexten hätte veröffentlicht werden sollen. Das Projekt kam nicht zustande, und so kam es, dass meine Übersetzung, die mir damals durchaus Mühe bereitet hat, in der Schublade ein unnützes Dasein fristete.

Ich stelle nun die Übersetzung interessierten Lesern meiner Homepage zur Verfügung. Kleine Übersetzungsfehler oder kann ich nicht ausschließen. (D.Z. 2018)

 

 

Leo Kanner (1943), Autistic Disturbances of affective Contact

in: Nervous Child, 2, 217-250

 

Übersetzt von Dietmar Zöller

 

Seit 1938 sind wir auf eine Anzahl von Kindern aufmerksam geworden, deren Zustand sich so markant und in Einzelheiten von allem anderen unterscheidet, was bis jetzt berichtet wurde, dass jeder Fall eine genaue Betrachtung aller seiner faszinierenden Besonderheiten verdient hat und, wie ich hoffe, auch bekommt. An dieser Stelle kann das Fallmaterial wegen des begrenzten Platzes nur abgekürzt präsentiert werden.

Aus Platzgründen wurde auch auf Photos verzichtet. Da bis jetzt keines der Kinder dieser Gruppe über elf Jahre alt ist, geht es nur um einen vorläufigen Bericht, der es offen lässt, wie es weitergeht, wenn sie älter werden und weitere Untersuchungen über ihre Entwicklung gemacht sind.

 

Fall 1

 

Donald T. wurde im Okt. 1938 im Alter von fünf Jahren und einem Monat zum ersten Mal angesehen. Bevor die Familie aus ihrer Heimatstadt kam, sandte der Vater einen 33 Seiten langen getippten Text, der, obwohl er viele quälende Einzelbeobachtungen enthielt, einen ausgezeichneten Eindruck von Donalds Vorgeschichte vermittelte.

Donald war termingerecht zur Welt gekommen. Er wog bei der Geburt fast sieben Pfund. Er wurde mit Zusatznahrung bis zum Ende des 8. Monats gestillt. Die Zusammensetzung der Nahrung wurde oft gewechselt. „Das Essen“, sagt der Bericht, „war bei ihm immer ein Problem. Er hat nie einen normalen Appetit gezeigt. Es war nie eine Versuchung für ihn, wenn er Kinder sah, die Süßigkeiten oder Eiscreme aßen.“ Das Zahnen verlief zufriedenstellend. Er lief mit 13 Monaten.

Mit einem Jahr „konnte er summen und mehrere Melodien genau nachsingen.“ Noch bevor er zwei Jahre alt war, hatte er „ein ungewöhnliches Erinnerungsvermögen für Gesichter und kannte die Namen von vielen Familien“ in seiner Heimatstadt. „Er wurde von seiner Familie unterstützt, kurze Gedichte zu lernen und aufzusagen, und lernte sogar den 23. Psalm und 25 Fragen und Antworten des Presbyterianischen Katechismus.“ Die Eltern beobachteten, dass er „nicht lernte Fragen zu stellen oder zu beantworten, außer wenn sie in Reimen oder Ähnlichem versteckt waren. Und auch dann stellte er keine Fragen, außer mit einzelnen Wörtern.“ Seine Aussprache war klar. Er begann sich für Bilder zu interessieren, und sehr bald kannte er eine große Zahl von Bildern in den Bänden von Compton’s Enzyklopädie. Er kannte die Bilder der Präsidenten „und kannte die meisten Bilder der Ahnen und Verwandten von beiden Seiten der Familie.“ Er lernte schnell das ganze Alphabet, „rückwärts und vorwärts“ und konnte bis 100 zählen.

Es wurde früh beobachtet, dass er am glücklichsten war, wenn man ihn allein ließ. Fast nie schrie er, um bei der Mutter zu sein, er schien nicht zu beachten, wenn der Vater heimkam und sie besuchende Verwandte waren ihm gleichgültig. Der Vater merkte besonders an, dass Donald es sogar unterließ, Sankt Nikolaus in vollem Ornat zu beachten.

 

Er scheint selbstzufrieden zu sein. Er zeigt keine Regung, wenn man ihn liebkost. Er beachtet nicht, wenn jemand kommt oder geht, und er scheint nie erfreut zu sein, wenn er Vater oder Mutter oder einen Spielkameraden sieht. Er scheint fast so, als verziehe er sich in sein Schneckenhaus um mit sich allein zu leben. Wir holten einmal einen sehr attraktiven kleinen Jungen seines Alters aus einem Waisenhaus, damit er den Sommer mit Donald verbringen sollte; aber Donald hat ihm nie eine Frage gestellt und auch keine Frage beantwortet, und hat nie mit ihm im Spiel herumgetollt. Er kommt selten zu jemandem, wenn er gerufen wird, sondern muss an die Hand genommen und dahin gebracht oder geführt werden, wohin er soll.

 

Als er zwei Jahre alt war, „entwickelte er einen Zwang, Klötze, Deckel und andere runde Objekte rotieren zu lassen.“ Zur selben Zeit hatte er eine Abneigung gegen sich bewegende Fahrzeuge wie Dreiräder und Schaukeln. Er hat immer noch Angst vor Dreirädern und er gerät fast in Panik, wenn er gezwungen wird, darauf zu fahren, wobei er sich gleichzeitig an der Person festhalten will, die ihm hilft. In diesem Sommer (1937) kauften wir ihm eine Rutsche, doch am ersten Nachmittag, als die anderen Kinder darauf rutschten, wollte er nicht hochsteigen, und als wir ihn hochbrachten, damit er herunter rutsche, schien er starr vor Entsetzen zu sein. Als am nächsten Morgen niemand anwesend war, ging er jedoch raus, kletterte die Leiter hoch und rutsche runter, und seitdem ist er oft herunter gerutscht, aber er benutzt die Rutsche nur, wenn kein anderes Kind anwesend ist, das mitrutschen will … Er war immerfort fröhlich und eifrig sich selbst zu unterhalten, aber ärgerte sich, wenn er mit bestimmten Gegenständen spielen sollte.

 

Wenn er gestört wurde, bekam er „Anfälle“ und dabei war er destruktiv. Er hatte „schreckliche Angst verhauen zu werden“, aber „er konnte nicht sein Fehlverhalten mit der Bestrafung in einen Zusammenhang bringen.“

Im August 1937 wurde Donald in einem Krankenhaus für Tuberkulose-Prävention untergebracht, um ihm eine „Ortsveränderung“ zu verschaffen. Während er dort war, hatte er eine „Abneigung mit Kindern zu spielen und Sachen zu machen, für die sich Kinder seines Alters gewöhnlich interessieren.“ Er nahm zu, entwickelte aber die Gewohnheit, seinen Kopf hin und her zu schütteln. Er fuhr fort, Gegenstände rotieren zu lassen und sprang wie in Ekstase hoch, wenn er beobachtete, wie sie sich drehten. Er legte eine Zerstreutheit an den Tag, die ihn alles um ihn herum vergessen ließ. Er schien immer in Gedanken zu sein und wenn man seine Aufmerksamkeit bekommen wollte, musste man fast eine mentale Barriere durchbrechen, die zwischen seiner inneren Bewusstheit und der Außenwelt zu bestehen schien.

Der Vater, dem Donald äußerlich gleicht, ist ein erfolgreicher, gewissenhafter, hart arbeitender Rechtsanwalt, der wegen Arbeitsstresses zwei „Zusammenbrüche“ hatte. Er nahm jede Unpässlichkeit ernst und legte sich schon bei der leichtesten Erkältung zu Bett und gehorchte den Anweisungen des Arztes genau. „Wenn er die Straße runtergeht, ist er so in Gedanken, dass er nichts und niemanden sieht und sich an nichts erinnern kann, was mit dem Gang zu tun hat.“ Die Mutter, die einen College-Abschluss hat, ist eine ruhige, fähige Frau, der sich ihr Ehemann weit überlegen fühlt. Ein zweites Kind, ein Junge, wurde ihnen am 22. Mai 1938 geboren.

 

Als Donald im Oktober 1938 im Harriet Lane Haus untersucht wurde, stellte man einen guten Gesundheitszustand fest. Bei der Erstuntersuchung und bei der zweiwöchigen Beobachtung durch die Doktoren Eugenia S. Cameron und George Frankl im Kinderkrankenhaus von Maryland erhielt man das folgende Bild:

Es gab eine bemerkenswerte Einschränkung der spontanen Aktivität. Er lief lächelnd herum, machte mit den Fingern stereotype Bewegungen, indem er sie in der Luft kreuzte. Er schüttelte den Kopf und flüsterte und summte dieselben drei Töne. Er drehte mit großem Vergnügen alles, was sich zum Drehen eignete. Er fuhr fort, Sachen auf den Boden zu werfen und schien dabei Freude an den Geräuschen zu haben, die entstanden. Er gruppierte Perlen, Stäbe oder Klötze nach Farben sortiert. Immer wenn er eine dieser Beschäftigungen beendete, schrie er gellend und sprang auf und ab. Darüber hinaus zeigte er keine Initiative, brauchte ständige Anweisung (von seiner Mutter) bei jeder anderen Tätigkeit, die anders war als das, was ihn fesselte.

Die meisten seiner Aktivitäten waren Stereotypien, die genau in derselben Weise durchgeführt wurden, wie sie sich ursprünglich ausgebildet hatten. Wenn er einen Klotz rotieren ließ, musste, wenn er anfing, immer dieselbe Seite nach oben zeigen. Wenn er Knöpfe auffädelte, ordnete er sie in einer bestimmten Reihenfolge an, die kein besonderes Muster darstellte, die aber die Reihenfolge zeigte, die der Vater benutzte, als er sie zum ersten Mal Donald gezeigt hatte.

Es gab noch unzählige Sprachstereotypien, die den ganzen Tag lang wiederholt wurden. Wenn er nach seinem Schläfchen runtergehen wollte, sagte er: „Boo (sein Wort für seine Mutter) sag: ‚Don, möchtest du runter gehen?’“ Seine Mutter würde zustimmen und Donald würde dann sagen: „Sag nun: ‚In Ordnung’“ Die Mutter machte das und Don ging runter. Beim Mittagessen wiederholte er etwas, das offensichtlich oft zu ihm gesagt worden war und sagte zu seiner Mutter: „Sag, iss es oder ich will dir keine Tomaten geben, aber wenn du es nicht isst, gebe ich dir Tomaten.“ Oder „Sag ‚Wenn du das trinkst, werde ich lachen und ich werde schmunzeln’.“

Und seine Mutter musste sich fügen, sonst quakte er schrill und spannte die Nackenmuskeln an. Dieses geschah den ganzen Tag in diesem oder einem anderen Zusammenhang. Es schien so, als bereite es ihm großes Vergnügen, Wörter oder Sätze herauszulassen wie „Chrysantheme“, „Dahlie, Dahlie, Dahlie“, „Geschäft“, „Trompetenblume“, „Der Rechte ist an, der Linke ist aus.“, „Durch das Dunkel scheinen Wolken.“ Bedeutungslose Äußerungen wie diese waren seine normale Sprechweise. Er schien immer wie ein Papagei nachzusprechen, was er dann und wann gehört hatte, wenn man so zu ihm gesprochen hatte. Er benutzte das Personalpronomen für die Personen, die er zitierte, und imitierte sogar deren Tonfall. Wenn er wollte, dass seine Mutter ihm die Schuhe auszog, sagte er: „Zieh deine Schuhe aus.“ Wenn er baden wollte, sagte er: „Möchtest du baden?“

Wörter hatten für ihn eine besondere, wörtlich feststehende Bedeutung. Er schien unfähig zu sein zu generalisieren, einen Ausdruck auf ähnliche Gegenstände oder Situationen zu übertragen. Wenn er so etwas gelegentlich doch tat, ersetzte er damit die ursprüngliche Bedeutung. So gab er all seinen Wasserfarben-Flaschen Namen der Dionne Fünflinge, Annette für blau, Cécile für rot usw. Wenn er dann eine Reihe von Farbmischungen meinte, fuhr er in dieser Weise fort: „Annette und Cécile ergeben violett.“

Die Antwort auf die Aufforderung „leg das hin“, hieß für ihn, dass er den Gegenstand auf den Boden werfen sollte. Er hatte ein „Milchglas“ und ein „Wasserglas“. Wenn er etwas Milch in das Wasserglas spuckte, wurde dabei die Milch zu „weißem Wasser“.

Das Wort „Ja“ bedeutete für ihn lange, dass sein Vater ihn auf die Schulter nehmen sollte. Das hatte eine bestimmte Geschichte. Als sein Vater ihm beibringen wollte, „ja“ und „nein“ zu sagen, fragte er einmal: „Soll ich dich auf meine Schulter nehmen?“ Don drückte seine Zustimmung aus, indem er die Frage wörtlich wiederholte, echolalieartig. Sein Vater sagte: „Wenn ich das tun soll, sag ‚Ja’, wenn ich es nicht tun soll, sag ‚Nein’!“ Don sagte „ja“, als er gefragt wurde. Aber danach bekam „ja“ die Bedeutung, dass er wünschte, von seinem Vater auf die Schulter genommen zu werden.

Er beachtete Menschen um ihn herum nicht. Wenn er in ein Zimmer gebracht wurde, beachtete er die Personen überhaupt nicht und wandte sich Gegenständen zu, besonders solchen, die man rotieren lassen konnte. Aufforderungen oder Aktionen, die er nicht unbeachtet lassen konnte, wurden als unwillkommene Einmischungen abgewehrt. Aber er war nie auf die Person, die sich einmischte, ärgerlich. Er schob ärgerlich die Hand, die ihm in die Quere kam, weg oder den Fuß, der auf einem seiner Klötze stand. Einmal bezeichnete er den Fuß, der auf einem Klotz stand, als „Schirm“. Wenn das Hindernis beseitigt war, vergaß er die ganze Angelegenheit. Er machte sich nichts aus der Anwesenheit anderer Kinder, sondern genoss seinen bevorzugten Zeitvertreib, indem er vor den Kindern weglief, wenn sie es wagten, sich um ihn zu kümmern. Wenn ein Kind ihm ein Spielzeug wegnahm, verhielt er sich passiv. Er malte Linien auf die Malbücher, die die anderen Kinder anmalten, aber wenn sie ihn zornig bedrohten, zog er sich zurück oder hielt seine Hände vor die Ohren. Seine Mutter war die einzige Person, mit der er überhaupt einen Kontakt hatte, und sogar sie brauchte ihre ganze Zeit damit, Wege zu finden, ihn bei der Stange zu halten.

Nachdem er wieder zu Hause war, sandte seine Mutter regelmäßige Berichte über seine Entwicklung. Er lernte schnell flüssig zu lesen und einfache Stücke auf dem Klavier zu spielen. Wenn seine Aufmerksamkeit erreicht werden konnte, antwortete er auf Fragen, „die man mit ja oder nein beantworten konnte.“ Obwohl er gelegentlich begann, von sich als „Ich“ zu reden und von der Person, die er meinte, als du, fuhr er für einige Zeit mit der Pronomenvertauschung fort. Als er z.B. im Februar 1939 stolperte und fast fiel, sagte er von sich selbst: „Du bist nicht hingefallen“.

Er war verwirrt über die Unregelmäßigkeiten beim Buchstabieren. „bite“ sollte wie „bight“ geschrieben werden, damit es zu „light“ passte. Er konnte stundenlang auf der Wandtafel schreiben. Sein Spiel wurde phantasievoller und variierte, blieb aber stereotyp.

Er wurde im Mai 1939 noch einmal zu einem check-up gebracht. Seine Aufmerksamkeit und Konzentration war besser. Er war mit seiner Umgebung in einem besseren Kontakt, und es kamen direkte Reaktionen auf Menschen und Situationen vor.

Er zeigte Enttäuschung, wenn man ihm nicht zu Willen war, forderte Belohnungen die ihm versprochen worden waren, er zeigte Freude, wenn er gelobt wurde. Im Child Study Home erreichte man mit ständiger Konsequenz etwas Anpassung an den täglichen Ablauf und etwas angemesseneren Umgang mit Objekten. Aber er fuhr fort, ständig mit den Fingern Buchstaben in die Luft zu malen und gab dabei Wörter wie „Semikolon“, „Kapital“ und „Zwölf, zwölf“, „Getötet, getötet“ von sich. „Ich kann ein kleines Komma setzen oder Semikolon.“ Er kaute auf Papier herum, schmierte Essen in seine Haare, warf Bücher in die Toilette, spülte einen Schlüssel weg, stieg auf den Tisch und auf den Schreibtisch, hatte Ausbrüche und hörte nicht auf autistisch zu kichern und zu flüstern. Er bekam ein Lexikon in die Hand, lernte ungefähr 15 Wörter aus dem Inhaltsverzeichnis und wiederholte die immer wieder. Seine Mutter wurde darin unterstützt, sein Interesse und seine Teilnahme an gewöhnlichen Lebenssituationen zu fördern.

Das Folgende sind Zusammenfassungen aus Briefen, die in Fortsetzungen von Donalds Mutter geschrieben wurden:

 

September 1939. Immer noch isst er, wäscht sich und zieht sich an, wenn ich darauf bestehe und mit meiner Hilfe. Er wird einfallsreich, baut etwas mit Bauklötzen, erfindet Geschichten, hilft beim Autowaschen, gießt die Blumen mit dem Schlauch, spielt Kaufmann mit eingekauften Waren, versucht mit der Schere Bilder auszuschneiden. Zahlen haben noch eine große Anziehungskraft für ihn. Während sich sein Spielverhalten wirklich verbessert, hat er nie Fragen über Personen gestellt und interessiert sich nicht für unsere Gespräche …

Oktober 1939. (Eine Schulleiterin, Freundin der Mutter, war bereit, Donald versuchsweise in die 1. Klasse ihrer Schule aufzunehmen.) Der erste Tag war sehr anstrengend für sie, aber an jedem folgenden Tag ging es besser. Don ist viel selbständiger, will manches allein tun. Er geht schön in der Reihe, antwortet, wenn er aufgerufen wird, ist williger und gehorsamer. Er berichtet nie freiwillig etwas von seinen Erfahrungen in der Schule und hat nie etwas dagegen (in die Schule) zu gehen …

November 1939. Ich besuchte an diesem Morgen seine Klasse und war verwundert zu sehen, wie gut er mitmachte und antwortete. Er war sehr still und ruhig und hörte ungefähr die Hälfte der Zeit auf das, was die Lehrerin sagte. Er quäkt nicht oder rennt herum, sondern bleibt auf dem Platz wie die anderen Kinder. Die Lehrerin begann etwas auf die Tafel zu schreiben. Das zog sofort seine Aufmerksamkeit auf sich. Sie schrieb:

     Betty kann einen Fisch füttern.

     Don kann einen Fisch füttern.

     Jerry kann einen Fisch füttern.

Als er dran war, stand er auf und malte einen Kreis um seinen Namen. Dann fütterte er einen Goldfisch. Dann wurde jedem Kind sein wöchentlicher Lesetext gegeben und er schlug die richtige Seite auf, die die Lehrerin anwies, und las sie, als er aufgefordert wurde. Er beantwortete auch eine Frage zu einem der Bilder. Einige Male, als er sich freute, sprang er hoch und schüttelte einmal seinen Kopf, während er antwortete …

März 1940. Die größte Verbesserung bemerke ich im Hinblick auf seine Aufmerksamkeit gegenüber den Dingen um ihn herum. Er redet sehr viel mehr und stellte eine Menge Fragen. Er erzählt mir nicht oft freiwillig etwas über das, was in der Schule vorfällt, aber wenn ich motivierende Fragen stelle, beantwortet er sie korrekt. Er beteiligt sich auch wirklich an Spielen mit anderen Kindern. Eines Tages engagierte er die Familie für ein Spiel, das er gerade gelernt hatte, dabei sagte er jedem von uns genau, was zu tun sei. Er kann viel besser selbständig essen und er kann besser Dinge allein tun.

März 1941. Er hat sich sehr gebessert, aber die grundlegenden Probleme bestehen weiter …

 

Donald wurde noch einmal zu einem Check up im April 1941 gebracht. Eine Einladung, ins Büro zu kommen, wurde nicht beachtet, aber er hat sich freiwillig führen lassen. Als er drin war, blickte er die drei Ärzte, die anwesend waren, nicht an (zwei von ihnen kannte er gut von seinem vorigen Besuch), sondern interessierte sich für den Tisch und fasste Bücher und Papiere an. Fragen begegnete er zumeist mit der stereotypen Antwort „Ich weiß nicht.“ Dann bediente er sich mit Stift und Papier und schrieb und malte Seiten mit Buchstaben des Alphabets und einigen einfachen Zeichnungen voll. Er ordnete die Buchstaben in zwei oder drei Reihen, las sie in vertikaler Reihenfolge besser als in horizontaler Folge und war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Gelegentlich sagte er etwas oder stellte eine Frage: „Ich bleibe zwei Tage in dem Child Study Home.“ Später sagte er: „Wo ist meine Mutter?“

„Warum willst du, dass sie da ist?“ wurde er gefragt.

„Ich möchte sie umarmen.“

Er benutzte die Pronomen richtig und seine Sätze waren korrekt.

Der größte Teil seiner „Konversation“ bestand aus zwanghaften Fragen. Er war unermüdlich in seinen Variationen: „Wie viele Tage hat eine Woche, Jahre hat ein Jahrhundert, Stunden hat ein Tag, Stunden hat ein halber Tag, Wochen hat ein Jahrhundert, wie viele Jahrhunderte hat ein halbes Jahrtausend“ etc. „Wie viele Pints hat eine Gallone, wie viele Gallonen braucht man, um vier Gallonen zu füllen?“ Manchmal fragte er: „Wie viele Stunden in einer Minute, wie viele Tage in einer Stunde?“ Er guckte nachdenklich und wollte immer eine Antwort. Manchmal ging er teilweise Kompromisse ein, indem er schnell sich einigen anderen Fragen zuwandte oder Ruhe gab, aber prompt zu demselben Verhalten zurückkam. Viele seiner Antworten waren metaphorisch oder in anderer Weise eigentümlich. Als er aufgefordert wurde, 4 von 10 abzuziehen, antwortete er: „Ich will ein Sechseck zeichnen.“

 

Er war noch sehr autistisch. Eine Beziehungsfähigkeit gegenüber Personen hatte sich nur insofern entwickelt, als er sich ihnen zuwandte, wenn er etwas wissen wollte oder musste. Er guckte eine Person nie an, während er sprach und benutzte auch keine kommunikativen Gesten. Sogar dieser Typ von Kontaktaufnahme hörte in dem Moment auf, wenn man ihm gesagt oder gegeben hatte, worum er gebeten hatte.

 

Ein Brief der Mutter stammte vom Oktober 1942:

 

„Don hat immer noch wenig Interesse für Vieles, was ihn umgibt. Seine Interessen wechseln oft, aber er ist immer von irgendwelchen dummen unpassenden Themen gefesselt. Seine Eigenheiten beim Schreiben sind noch sehr auffällig, er möchte Wörter so schreiben, wie sie klingen und Buchstaben immer gleich aussprechen. Kürzlich schaffte ich es, Don dazu zu bringen, etwas Hausarbeit zu übernehmen, um Geld fürs Kino zu verdienen. Er geht nun wirklich gern ins Kino, aber versteht den Handlungszusammenhang nicht. Er erinnert sich an die Vorstellungen in der Reihenfolge, in der er sie gesehen hat. Ein anderes Hobby, das er kürzlich hatte, bezog sich auf alte Ausgaben der „Times“. Er fand eine Kopie der ersten Ausgabe vom 3. März 1923, und er hat versucht eine Liste aufzustellen von den Erscheinungsdaten aller Ausgaben danach. So ist er bis April 1934 gekommen. Er hat die Anzahl der Ausgaben in einem Band aufgeschrieben und ähnlichen Unsinn.“

 

Fall 2

 

Frederik W. wurde am 27. Mai 1942 mit der Klage des Arztes gebracht, „dass sein Verhalten in sozialen Situationen sich durch aggressives und zurückziehendes Verhalten auszeichne.“

Seine Mutter berichtet:

 

Das Kind ist immer selbstzufrieden gewesen. Ich habe ihn allein lassen können und er hat sich sehr gut selbst beschäftigen können, indem er umherlief, sang. Ich habe nie gekannt, dass er schrie, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Er hatte nie Interesse am Versteckspielen, aber er konnte einen Ball hin und her rollen, den Vater beim Rasieren beobachten, den Rasiermesserbehälter halten und das Messer dahin zurücklegen, die Seifenschale zumachen. Er war nie gut beim kooperativen Spiel. Er machte sich nichts daraus, mit gewöhnlichen Dingen zu spielen, mit denen andere Kinder spielen, z.B. mit Sachen, die Räder hatten. Er hat Angst vor technischen Sachen, er rennt vor ihnen davon. Er hat gewöhnlich Angst vor meinem Schneebesen, ist ganz versteinert von meinem Staubsauger. Aufzüge sind einfach eine schreckliche Erfahrung für ihn. Er fürchtet sich vor drehenden Kreiseln.

Bis zum vergangenen Jahr ignorierte er andere Leute. Wenn wir Gäste hatten, beachtete er sie überhaupt nicht. Er sah sich kleine Kinder neugierig an und ging dann ganz allein weg. Er tat so, als existierten Leute überhaupt nicht. So verhielt er sich, sogar gegenüber den Großeltern. Ungefähr vor einem Jahr begann er mehr Interesse für sie zu zeigen, in dem er sie beobachtete, er ging sogar zu ihnen. Aber gewöhnlich sind Menschen eine Störung. Er schiebt Personen von sich weg. Wenn ihm Menschen zu nahe kommen, schiebt er sie weg. Er wünscht nicht, dass ich ihn berühre oder meinen Arm um ihn lege, aber er kommt her und berührt mich.

Er mag es gewissermaßen, an einer Sache zu kleben. In einem der Bücherregale hatten wir drei Exemplare in einer bestimmten Anordnung. Wann immer sie vertauscht wurden, stellte er immer die alte Ordnung wieder her. Er wollte offensichtlich nichts Neues probieren. Nachdem er etwas lange genug beobachtet hat, macht er es plötzlich. Er wollte sicher sein, es richtig zu machen.

Bis er zwei Jahre alt war, hatte er nur zwei Wörter gesprochen, („Daddy“ und „Dora“, der Vorname der Mutter). Von da an, zwischen zwei und drei Jahren, sagte er Wörter, die für ihn selbst eine Überraschung zu sein schienen. Er sagte sie einmal und wiederholte sie nie wieder. Eins der ersten Wörter, die er sagte, war „Overalls“. (Die Eltern erwarteten nie, dass er eine ihrer Fragen beantwortete, sie waren überrascht, als er einmal mit „Ja“ antwortete.) Mit ungefähr zweieinhalb Jahren begann er zu singen. Er sang ungefähr 20 oder 30 Lieder, einschließlich eines kleinen französischen Schlummerliedes. Im vierten Jahr versuchte ich ihn dazu zu bringen, um Dinge zu bitten, bevor er sie bekam. Er hatte einen stärkeren Willen als ich und hielt es länger aus, und er sollte es nicht bekommen, aber er gab in der Sache nicht bei. Nun kann er bis in die Hunderte zählen und Zahlen lesen, aber er interessiert sich nicht für Zahlen, wenn sie auf Gegenstände bezogen werden. Er hat große Probleme, den richtigen Gebrauch der Pronomen zu lernen. Wenn er ein Geschenk bekommt, sagt er von sich: „Du sagst ‚Danke’.“ Er spielt Bowling und wenn er sieht, dass die Kegel fallen, springt er auf und ab.

 

Frederick wurde am 23. Mai 1936 geboren. Die Mutter hatte Nierenprobleme und ein Kaiserschnitt wurde ungefähr zwei Wochen vor dem Geburtstermin wegen Steißlage vorgenommen. Es ging ihm nach der Geburt gut. Das Füttern machte keine Probleme. Seine Mutter betonte, dass man nie beobachtet habe, dass er eine antizipatorische Haltung annahm, wenn sie sich anschickte, ihn hochzunehmen. Er saß mit sieben Monaten und lief mit ungefähr 18 Monaten. Er hatte gelegentlich Erkältungen, aber sonst keine Erkrankung. Versuche, ihn in einem Vorschulkindergarten teilnehmen zu lassen, hatten keinen Erfolg. „Er zog sich entweder zurück und versteckte sich in einer Ecke oder er drängte sich mitten in eine Gruppe und war sehr aggressiv.“

 

Der Junge ist Einzelkind. Der Vater, 44 Jahre alt, ein Pflanzen-Pathologe mit Universitätsabschluss, war in Verbindung mit seiner Arbeit viel auf Reisen. Er ist ein geduldiger, ausgeglichener Mann, etwas zwanghaft. Als Kind sprach er spät und war vermutlich schwächlich, vermutlich „wegen Vitaminmangel in der Nahrung in Afrika“. Die Mutter, 40 Jahre alt, mit College-Abschluss, war nacheinander Arztsekretärin, Einkäuferin, Direktorin für Sekretärinnenausbildung an einer Mädchenschule und einmal Geschichtslehrerin und wird als gesund und ausgeglichen beschrieben.

Der Großvater väterlicherseits organisierte ärztliche Mission* in Afrika, studierte Tropenmedizin in England, wurde ein Experte für Manganminen in Brasilien, war zur selben Zeit Leiter einer medizinischen Schule und Direktor von einem Kunstmuseum in einer amerikanischen Stadt und wird im „Who’s Who“ unter zwei verschiedenen Namen geführt. Er verschwand 1911, seine Aufenthaltsorte blieben 25 Jahre lang verborgen. Es wurde dann bekannt, dass er nach Europa gegangen war und eine Schriftstellerin heiratete, ohne von seiner ersten Frau geschieden zu sein. Die Familie sah ihn so: „Ein starker Charakter von genialem Zuschnitt, der so viel Gutes tun wollte, wie er konnte.“

Die Großmutter väterlicherseits wird als „waschechte Missionarin beschrieben, wenn es je eine gegeben hat, sehr dominierend und schwer mit ihr auszukommen, zur Zeit leistet sie Pionierarbeit im Süden an einem College für Bergbewohner.“

Der Vater ist das zweite von fünf Kindern. Der Älteste ist ein bekannter Zeitungsmann und Autor eines Bestsellers. Eine verheiratete Schwester, „überspannt und sehr frühreif“, ist Sängerin. Dann kommt ein Bruder, der für Abenteuerzeitschriften schreibt. Der Jüngste, ein Maler, Schriftsteller und Radiokommentator, „sprach nicht, bis er ungefähr sechs Jahre als war“, und die ersten Worte, die er gesprochen haben soll, waren: „Wenn ein Löwe nicht sprechen kann, kann er pfeifen.“

Die Mutter sagte von ihren eigenen Verwandten: „Meine sind ganz gewöhnliche Leute.“ Ihre Familie kommt aus einer Stadt in Wisconsin, wo ihr Vater ein Bankangestellter ist. Ihre Mutter ist „etwas interessiert“ an Arbeit in der Kirche und ihre drei Schwestern, alle jünger als sie, sind normale Mittelklasse-Hausfrauen.

 

Frederick wurde am 27. Mai 1942 zum Harriet Lane Haus gebracht. Er machte einen gut genährten Eindruck. Sein Kopfumfang betrug 21 Inches, der Brustumfang 22 Inches, der Bauchumfang 21 Inches. Sein Hinterkopf und die Stirn waren auffallend. Es gab eine überzählige Brustwarze in der linken Axelhöhle. Die Reflexe waren schwach, aber vorhanden. Alle anderen Untersuchungsergebnisse, einschließlich Laboruntersuchungen und Röntgenaufnahmen seines Schädels waren in Ordnung, außer dass die Tonsillen groß und zerklüftet waren.

Er wurde von einer Krankenschwester, die das Zimmer danach sofort verließ, in das Psychiatriezimmer gebracht. Sein Gesicht war angespannt, irgendwie ängstlich, und er machte einen intelligenten Eindruck. Für einen Moment lief er ziellos herum, schien dabei die drei Erwachsenen, die anwesend waren, nicht wahrzunehmen. Dann setzte er sich auf die Couch und stieß unverständliche Laute aus, anschließend legte er sich abrupt hin und zeigte dabei ein verträumtes Lächeln. Wenn er überhaupt auf Fragen und Aufforderungen reagierte, dann antwortete er in Form von Echolalie und wiederholte die Frage oder Aufforderung. Das Auffälligste an seinem Verhalten war, wie unterschiedlich er auf Sachen und Menschen reagierte. Objekte fesselten ihn leicht und er zeigte eine gute Konzentration und eine hohe Ausdauer beim Spielen damit. Er schien Menschen als unwillkommene Störenfriede anzusehen, denen er so wenig Aufmerksamkeit schenkte, wie sie gestatteten. Wenn er antworten musste, tat er es kurz und vertiefte sich wieder in seine Sachen. Wenn eine Hand nach ihm ausgestreckt wurde, so dass er das nicht gut ignorieren konnte, spielte er kurz damit, als wäre es ein abgelöster Gegenstand. Er verlor einen Wettkampf mit einem Ausdruck von Zufriedenheit mit dem Ausgang, aber er sah die Person nicht an, die gewonnen hatte. Wenn eine vierte Person in den Raum kam, wartete er eine oder zwei Minuten hinter dem Bücherregal und sagte: „Ich will nicht, dass du kommst“ und winkte ihn weg, setzte dann sein Spiel fort und beachtete ihn oder jemand anderes nicht weiter.

Testergebnisse (Grace Arthur performance scale) waren wegen seiner schlechten Kooperation schwer auszuwerten. Er hatte die besten Werte beim „Seguin Formentest“ (kürzeste Zeit 58 Sekunden). Beim „mare and foal completion test“ (Stute und Fohlen Vervollständigungstest) schien er sich nur an den Formen zu orientieren, mit dem Ergebnis, dass es keinen Unterschied machte, ob die Teile mit der richtigen Seite nach oben lagen oder nicht. Er vervollständigte das Dreieck, aber nicht das Viereck. Bei allen Formen zeigte er gute Ausdauer und gute Konzentration und arbeitete damit spontan und interessiert. Zwischen den Tests ging er im Raum herum und untersuchte verschiedene Sachen oder suchte etwas in dem Papierkorb, ohne die anwesenden Personen zu beachten. Er machte häufig saugende Geräusche und küsste gelegentlich seinen Handrücken. Er war vom Kreis des Formenbretts fasziniert, rollte ihn auf dem Tisch und versuchte mit gelegentlichem Erfolg, ihn zu greifen, bevor er wegrollte.

Frederick wurde am 26. September 1942 in die Devereux Schulen aufgenommen.

 

Fall 3

 

Richard M. wurde im Alter von drei Jahren und acht Monaten am 5. Februar 1941 im John Hopkins Hospital mit der Klage, dass er taub sei, vorgestellt, denn er sprach nicht und antwortete nicht auf Fragen. Nach der Aufnahme machte der Assistenzarzt folgende Beobachtung:

 

Das Kind macht einen ganz intelligenten Eindruck, spielt mit den Spielsachen im Bett und ist auf die Instrumente, die bei der Untersuchung gebraucht werden, normal neugierig. Er scheint beim Spiel mit sich selbst zufrieden zu sein. Es ist schwierig, mit Sicherheit zu behaupten, ob er hört, aber es scheint so, dass er hört. Er kann auf Aufforderungen wie „Setz dich!“ oder „Leg dich hin!“ reagieren, auch wenn er die Person, die spricht, nicht sieht. Er achtet nicht auf Gespräche, die in seiner Gegenwart stattfinden, und obwohl er Geräusche von sich gibt, sagt er keine erkennbaren Wörter.

 

Seine Mutter brachte zahlreiche Aufzeichnungen mit, die eine zwanghafte Beschäftigung mit Details zeigten und die Neigung, alles Mögliche in die Äußerungen des Kindes hineinzuinterpretieren. Sie beobachtete (und nahm auf) jede Geste und jeden Blick und versuchte, ihre besondere Bedeutung zu erfassen und schließlich zu einer teilweisen, manchmal weit hergeholten Erklärung zu kommen. So kam sie zu einer Darstellung, die obwohl sehr sorgfältig und reichlich ausgeschmückt, im Ganzen mehr von ihrer eigenen Deutung enthielt als davon, was wirklich geschehen war.

 

Richards Vater ist ein Professor der Forstwirtschaft an einer Universität der Südstaaten. Er ist sehr in seine Arbeit vertieft, fast vollständig bis zur Aufgabe sozialer Kontakte. Die Mutter hat einen College-Abschluss. Der Großvater mütterlicherseits ist Arzt, und der Rest der Familie von beiden Seiten besteht aus intelligenten berufstätigen Personen. Richards Bruder, 31 Monate alt, wird als normales, gut entwickeltes Kind beschrieben.

Richard wurde am 17. November 1937 geboren. Schwangerschaft und Geburt waren normal. Er saß mit acht Monaten und lief mit einem Jahr. Seine Mutter begann seine Sauberkeitserziehung mit drei Wochen, indem sie ihm jeden Morgen ein Zäpfchen gab, „so dass er pünktlich sein Geschäft verrichtete“. Wenn die Mutter ihre beiden Kinder verglich, bemerkte sie, dass, während das jüngere Kind aktiv mithalf, wenn es aufgenommen wurde, Richard es unterließ, mit seinem Körper auszudrücken, dass er von ihr oder dem Kindermädchen aufgenommen werden wollte. Ernährung und Wachstum verliefen zufrieden stellend. Nach der Pockenimpfung mit 12 Monaten hatte er Durchfall und Fieber, was er in weniger als einer Woche überstand.

 

Im September 1940 bemerkte die Mutter in ihren Aufzeichnungen, als sie das Fehlen von Richards Sprache kommentierte: „Ich bin nicht sicher, wann er aufhörte, Laute zu imitieren. Es scheint so, dass er sich mental allmählich zurück entwickelt hat, besonders während der letzten zwei Jahre. Wir haben gedacht, dass es war, weil er nichts herausließ, was er im Kopf hatte, dass es aber dort wohl war. Nun, da er so viel Geräusche macht, ist es verwirrend, weil es nun offenbar ist, dass er nicht sprechen kann. Vorher dachte ich, dass er könnte, wenn er nur wollte. Es machte auf mich den Eindruck von ‚stiller Weisheit’. Eine verwirrende und entmutigende Angelegenheit ist es, dass es so schwierig geworden ist, seine Aufmerksamkeit zu bekommen.

 

Bei einer ärztlichen Untersuchung kam heraus, dass Richard gesund war, außer dass er zu große Tonsillen und Adenoiden hatte, die am 8. Februar 1941 entfernt wurden. Sein Kopfumfang war 54 ½ cm. Sein EEG war normal. Er hatte sich willig zur Praxis des Psychiaters bringen lassen und machte sofort aktiv bei Spielen mit, beachtete aber die Personen im Raum nicht. Gelegentlich guckte er die Wände an, lächelte und gab kurze kraftvolle Laute von sich „Ee! Ee! Ee!“ Er reagierte auf eine gesprochene und mit Gesten begleitete Aufforderung seiner Mutter, seine Schuhe auszuziehen. Als die Aufforderung verändert wurde, dieses Mal ohne Gesten, wiederholte er die erste Aufforderung und zog wieder die Schuhe aus (die man ihm wieder angezogen hatte). […]

Richard wurde wieder angesehen, als er vier Jahre und vier Monate alt war. Er war sichtbar gewachsen und hatte Gewicht zugelegt. Als er zu dem Untersuchungszimmer gehen sollte, schrie er und regte sich auf, aber auf einmal gab er nach und ging willig mit.

Er ging sofort dazu über, das Licht an- und auszuknipsen. Er zeigte kein Interesse an der untersuchenden Person oder an irgendeiner anderen Person, aber war von einem kleinen Kästchen angezogen, das er warf, als wäre es ein Ball. Mit vier Jahren und elf Monaten war seine erste Aktion, wenn er ins Office (oder einen anderen Raum) kam, die Lichter an- und auszumachen. Er kletterte auf einen Stuhl, und vom Stuhl auf den Tisch, um den Schalter der Deckenleuchte zu erreichen.

Er teilte seine Wünsche nicht mit, aber er geriet in Rage, bis seine Mutter erriet und besorgte, was er wünschte. Er hatte keinen Kontakt zu Personen, die er offensichtlich als Störung ansah, wenn sie zu ihm sprachen oder seine Aufmerksamkeit auf andere Weise zu gewinnen versuchten. Die Mutter merkte, dass sie nicht länger in der Lage war, mit ihm umzugehen, und er wurde bei einer Pflegefamilie in der Nähe von Annapolis untergebracht, bei einer Frau, die eine bemerkenswerte Gabe gezeigt hatte, mit schwierigen Kindern fertig zu werden. Kürzlich hörte diese Frau, wie er klar seine ersten verständlichen Wörter aussprach. Es waren: „Gute Nacht.“

 

Fall 4

 

Paul G. wurde im März 1941 im Alter von fünf Jahren für eine psychometrische Abklärung überwiesen, wobei angenommen wurde, dass es sich um einen ernsten intellektuellen Defekt handelte. Er hatte einen privaten Kindergarten besucht, wo seine unverständliche Sprache, seine Unfähigkeit sich anzupassen und seine Wutausbrüche bei jeder Störung den Eindruck einer Geistesschwäche vermittelten.

 

Paul, ein Einzelkind, war mit seiner Mutter von England in dieses Land gekommen, als er ungefähr zwei Jahre alt war. Sein Vater, ein Bergbauingenieur, von dem angenommen wurde, dass er nun in Australien sei, hatte seine Frau kurz vorher nach einigen Jahren unglücklicher Ehe verlassen. Seine Mutter, vermutlich mit College-Abschluss, eine unruhige, instabile, reizbare Frau, gab eine unklare und konfliktreiche Geschichte von ihrem familiären Hintergrund und der Entwicklung des Kindes zum Besten. Sie verbrachte viel Zeit damit, ihre Erfolge bei Pauls Förderung, die darin bestanden, ihn Gedichte und Lieder auswendig lernen zu lassen, marktschreierisch hervorzuheben und auszuschmücken. Als er drei Jahre alt war, kannte der den Text von nicht weniger als 37 Liedern und mehrere verschiedene Kinderreime.

Er wurde normal geboren. Während seines ersten Lebensjahres erbrach er oft und die Zusammensetzung seiner Nahrung musste oft verändert werden, was aber wenig Erfolg brachte. Das Erbrechen hörte auf, als er normale Kost bekam. Er bekam Zähne, hielt seinen Kopf, saß, lief und bekam Darm und Blase im dafür normalen Alter unter Kontrolle, alles zum üblichen Zeitpunkt. Er hatte Masern, Windpocken und Keuchhusten ohne Komplikationen. Mit drei Jahren wurden seine Tonsillen entfernt. Bei einer ärztlichen Untersuchung wurde eine Phimose als einzige Abweichung bei einer sonst guten Gesundheit festgestellt.

 

Die folgenden Eindrücke stammen von Beobachtungen bei Besuchen in der Klinik, während eines fünfwöchigen Aufenthaltes in einem Internat und während Krankenhausaufenthalts, der einige Tage dauerte.

Paul war ein schlankes, gut gebautes, hübsches Kind, dessen Gesicht intelligent und lebendig wirkte. Er war mit den Händen recht geschickt. Er reagierte kaum auf irgendeine Art von Ansprache, auch nicht, wenn sein Name genannt wurde. Einmal hob er auf Aufforderung einen Klotz vom Boden auf. Einmal malte er sofort einen Kreis nach, nachdem er ihm vorgezeichnet worden war. Manchmal brachte ihn ein energisch ausgesprochenes „Nein“ dazu, seine Beschäftigung für einen Moment zu unterbrechen. Aber gewöhnlich, wenn man zu ihm sprach, fuhr er fort mit dem, was er gerade machte, als ob nichts gesagt worden wäre. Doch niemals hatte man das Gefühl, dass er bewusst ungehorsam oder widerspenstig war. Er war offensichtlich so abwesend, dass die Bemerkungen ihn nicht erreichten. Er war immer hingebungsvoll mit etwas beschäftigt und schien höchst zufrieden zu sein, bis jemand darauf beharrte, seine selbst gewählten Aktionen zu stören. Dann versuchte er zuerst ungeduldig aus dem Weg zu gehen und wenn das misslang, schrie er und es endete mit einem handfesten Rappel.

 

Es gab einen eklatanten Widerspruch, wie er sich Personen und Gegenständen gegenüber verhielt. Wenn er in einen Raum trat, suchte er ständig nach Objekten und benutzte sie korrekt. Er war nicht zerstörerisch und behandelte die Sachen mit Sorgfalt und sogar mit Gefühl. Er nahm einen Stift auf und kritzelte auf Papier, das er auf dem Tisch fand. Er öffnete einen Kasten und nahm ein Spielzeugtelefon heraus und sang und sang: „Er möchte das Telefon.“ und lief im Raum umher, wobei er Mundstück und Hörer richtig hielt. Er bekam eine Schere in die Hand und geduldig und geschickt schnitt er ein Papier in schmale Streifen und sang viele Male „Papier schneiden“. Er nahm sich eine Spiellokomotive, rannte sie hochhaltend im Zimmer herum und sang immer wieder: „Die Lokomotive fliegt.“ Während diese Äußerungen, die er immer mit denselben Bewegungen machte, einen klaren Bezug zu seinen Aktionen hatten, brachte er Anderes hervor, das nichts mit den gegenwärtigen Situationen zu tun hatte. Dies sind einige Beispiele: „Die Leute im Hotel“, „Hast du dein Bein verletzt?“, „Kandiszucker ist ausgegangen, Kandiszucker ist leer.“, „Du wirst vom Rad fallen und deinen Kopf anschlagen.“ Manche dieser Ausrufe jedoch konnten eindeutig mit vorangegangenen Erfahrungen in Verbindung gebracht werden. Er hatte die Angewohnheit fast jeden Tag zu sagen: „Wirf nicht den Hund vom Balkon.“ Seine Mutter erklärte, dass sie jene Worte in Bezug auf einen Spielzeughund zu ihm gesagt hatte, während sie noch in England waren. Wenn er eine Pfanne zu sehen bekam, rief er beständig: „Peter-Esser“ („Peter-eater“). Seine Mutter erinnerte sich, dass diese besondere Assoziation begonnen hatte, als er zwei Jahre alt war und sie gerade eine Pfanne, die sie in der Hand hielt, fallen ließ, während sie ihm den Reim vorsagte: „Peter, Peter, Kürbisfresser“. Wiederholte Androhungen einer körperliche Strafe führten zu einer noch größeren Anzahl von Äußerungen.

Keiner dieser Bemerkungen konnte ein kommunikativer Wert beigemessen werden. Es gab von seiner Seite keine gefühlsmäßige Verbindung zu Menschen. Er benahm sich, als käme es auf Menschen nicht an oder als gäbe es sie nicht. Es machte keinen Unterschied, ob jemand mit ihm freundlich sprach oder in einem barschen Ton. Er schaute Menschen nie ins Gesicht. Wenn er mit Personen irgend etwas zu tun hatte, behandelte er sie oder besser Teile von ihnen, als wären sie Gegenstände. Er brauchte eine Hand, die ihn führte. Im Spiel konnte er seinen Kopf gegen seine Mutter schlagen wie er es zu anderen Zeiten gegen ein Kissen machte. Er erlaubte der Hand seiner Pflegemutter* ihn anzuziehen, beachtete sie aber überhaupt nicht. Wenn er mit anderen Kindern zusammen war, ignorierte er sie und war hinter ihren Spielsachen her.

 

Seine Aussprache war klar und er hatte einen guten Wortschatz. Sein Satzbau war zufriedenstellend mit einer wichtigen Ausnahme. Er benutzte nie das Personalpronomen der ersten Person, noch bezog er den Namen Paul auf sich. Alle Äußerungen, die ihn selbst betrafen, wurden in der zweiten Person gemacht, als wörtliche Wiederholungen von etwas, das zu ihm gesagt worden war. Er drückte seinen Wunsch nach Kandiszucker aus, indem er sagte: „Du möchtest Kandiszucker.“ Er zog seine Hand von einem heißen Radiator weg und sagte: „Du tust dir weh.“ Manchmal kamen papageienartige Wiederholungen von Sachen vor, die zu ihm gesagt worden waren.

Ein formales Testen konnte mit ihm nicht durchgeführt werden, aber er konnte gewiss nicht als geistesschwach im üblichen Sinn angesehen werden. Nachdem er dreimal gehört hatte, dass seine Pflegemutter das Tischgebet gesprochen hatte, wiederholte er es ohne Makel und hat es seitdem behalten. Er konnte zählen und Farben benennen. Er lernte schnell, aus einem großen Stapel seine Lieblingsschallplatten zu erkennen und konnte sie auflegen und spielen lassen.

Seine Pflegemutter berichtete von einer Reihe von Beobachtungen, die zwanghaftes Verhalten anzeigten. Er masturbierte oft mit großer Hingabe. Er rannte im Kreis herum und ließ Sätze wie in Ekstase heraus. Er trug ein Tuch herum und wedelte damit, dabei rief er entzückt: „Ee, Ee!“ Er konnte lange so fortfahren und war sehr verunsichert, wenn er unterbrochen wurde. Alle diese Dinge und viele andere waren nicht nur einfache Wiederholungen, sondern kehrten Tag für Tag in derselben Weise wieder.

 

Fall 5

 

Barbara K. wurde im Februar 1942 mit acht Jahren und drei Monaten überwiesen. Die schriftlichen Aufzeichnungen ihres Vaters legten dar:

 

„Erstes Kind, wurde am 30. Oktober 1933 normal geboren. Sie trank sehr schlecht und wurde nach ungefähr einer Woche auf Flaschennahrung umgestellt. Mit drei Monaten verweigerte sie jegliche Art von Nahrungsaufnahme. Bis zu einem Jahr wurde sie fünf Mal am Tag mit der Sonde ernährt. Sie begann dann zu essen, obgleich es noch viele Schwierigkeiten gab, bis sie ungefähr 18 Monate alt war. Seit dem Zeitpunkt war sie eine gute Esserin, sie mochte es, mit Nahrung zu experimentieren, zu probieren und hat nun Spaß am Kochen*. Normaler Wortschatz mit zwei Jahren, war aber immer langsam im Bilden von Sätzen. Außerordentliche Buchstabier- und Lesefähigkeit, schrieb gut, hat aber noch Schwierigkeiten mit dem Sprechen. Die geschriebene Sprache hat beim Sprechenlernen geholfen. Kann nicht rechnen lernen, außer wenn sie es auswendig lernt.

Als Baby Wiederholungszwänge, die nun wie besessen sind, hält Sachen in der Hand, nimmt Sachen mit ins Bett, wiederholt Sätze, hängt an einer Idee oder Spiel fest etc., besteht darauf, geht dann zu etwas anderem über. Sie gebraucht „du“ für sich und „ich“ für ihre Mutter und mich, so als ob sie Sachen sagen würde, die wir zu ihr sagen.

Sehr schreckhaft und ängstlich bei verschiedenen sich verändernden Sachen, Wind, großen Tieren etc. Meist passiv, aber obgleich passiv manchmal eigensinnig. Unaufmerksam bis dahin, dass man sich fragt, ob sie hören kann. (Sie kann’s!). Kein Ehrgeiz, kein Wunsch, dem Lehrer zu gefallen. Wenn sie über etwas mehr als die anderen in der Klasse weiß, gibt sie das nicht zu erkennen, bleibt still, hört möglicherweise nicht zu.

Im letzten Sommer im Camp war sie gut gelitten. Sie lernte schwimmen und war glücklich im Wasser (erschien vorher immer unbeholfen in ihren Bewegungen), überwand die Angst vor Ponnies, spielte am liebsten mit fünfjährigen Kindern. Während des Camps bekam sie einen Vitaminmangel und geriet in einen schlechten Ernährungszustand, aber sie beklagte sich nie.

 

Barbaras Vater ist ein bekannter Psychiater. Ihre Mutter ist eine gebildete freundliche Frau. Ein jüngerer Bruder, 1937 geboren, ist gesund, munter und gut entwickelt.

Barbara gab die Hand, wenn sie aufgefordert wurde (die linke zur Begrüßung, die rechte beim Abschied), wobei sie nur die Hand, die ganz weich war, in die Richtung der Hand des Untersuchers ausstreckte. Die Bewegung wirkte nicht wie eine Begrüßung.

Während des Eingangsinterviews gab es kein Anzeichen für irgendeine affektive Kontaktaufnahme. Bei einem Stich mit einer Nadel zog sie den Arm zurück, sie guckte ängstlich auf die Nadel (nicht auf den Untersuchenden) und sagte das Wort „Schmerzt!“, aber nicht in die Richtung einer der Anwesenden.

Sie zeigte kein Interesse an der Durchführung von Tests. Das Konzept einer Testsituation, nämlich eine Erfahrung oder Situation zu teilen, schien ihr fremd zu sein. Sie streckte die Zunge heraus und spielte mit ihrer Hand wie mit einem Spielzeug. Angezogen von einem Stift auf dem Tisch sagte sie: „Ein Stift wie deiner zu Hause.“ Als sie dann einen Bleistift sah, fragte sie: „Darf ich den mit nach Hause nehmen?“

Als ihr gesagt wurde, dass sie dürfe, machte sie keine Anstalten, ihn zu nehmen. Der Bleistift wurde ihr gegeben, aber sie schob ihn weg und sagte: „Es ist nicht mein Bleistift.“

Sie wiederholte dasselbe mit anderen Gegenständen. Mehrere Male sagte sie: „Ich will Mutter sehen.“ (die wartete im Wartezimmer).

Sie las ausgezeichnet. Sie schaffte den Binet für Zehnjährige in 33 Sekunden ohne Fehler, aber sie konnte aus der Erinnerung nichts von dem wiedergeben, was sie gelesen hatte. Beim Binet Bildertest sah sie (oder mindestens berichtete sie) von keiner Handlung oder Beziehung zwischen den einzelnen Items, die sie ohne Probleme richtig anordnen konnte. Ihre Handschrift war leserlich. Ihr Malen (Mann, Haus, Katze sitzend auf sechs Beinen, Kürbis, Zugmaschine), war phantasielos und stereotyp. Sie benutzte beim Schreiben die rechte Hand, die linke für alles andere. Ihr linker Fuß und ihr rechtes Auge waren dominierend.

Sie kannte die Wochentage. Sie begann sie zu benennen: „Samstag, Sonntag, Montag“, dann sagte sie: „Du gehst zur Schule.“ (sie meinte am Montag), dann hielt sie inne, als wäre die Aufgabe erledigt.

Während all dieser Aufgaben, bei denen sie – oft nach vielen Wiederholungen der Frage oder Aufforderung – fast selbstverständlich mitmachte, kritzelte sie von sich aus Wörter: „Orangen“, „Zitronen“, „Bananen“, „Weintrauben“, „Kirschen“, „Äpfel“, „Aprikosen“, „Mandarinen“, Grapefruits“, „Wassermelonensaft“. Die Wörter gingen manchmal ineinander über und waren offensichtlich nicht dafür vorgesehen, dass andere sie lasen.

Sie unterbrach oft jegliches Gespräch, das geführt wurde mit Hinweisen auf „motor transports“ und „piggy-back“, womit sie sich nach Angabe des Vaters seit einiger Zeit beschäftigte. Sie sagte zum Beispiel: „Ich sah Autotransporte.“, „Ich sah piggy-backs, als ich zur Schule ging.“ Ihre Mutter bemerkte: „Zubehörteile faszinieren sie, z.B. ein Schornstein oder ein Pendel.“ Ihr Vater hatte vorher festgestellt: „Seit Kurzem Interesse an sexuellen Problemen, hängt herum, wenn wir baden, ist wie versessen/fixiert auf Toiletten.“

Barbara wurde in der Devereux Schule beschult, wo sie in ihrer Beziehungsfähigkeit zu anderen Menschen kleine Fortschritte macht.

 

6. Fall

 

Virginia S., geboren am 13. September 1931, hat seit 1936 eine staatliche Schule für Schwachsinnige besucht, mit Ausnahme von einem Monat im Jahre 1938, als sie zu einer Bildungsmaßnahme in eine Schule für Gehörlose geschickt wurde. Dr. Esther L. Richards, die sie einige Male sah, erkannte klar, dass sie weder gehörlos noch schwachsinnig war und schrieb im Mai 1841:

 

„Virginia unterscheidet sich von den anderen Kindern [in der Schule], weil sie absolut anders ist als jedes der anderen. Sie ist sauber und ordentlich, spielt nicht mit anderen Kindern und scheint nach den Tests nicht gehörlos zu sein, aber sie spricht nicht. Das Kind scheint sich stundenlang dabei zu amüsieren, dass es Teile von Bilderpuzzles zusammensetzt, sie bleibt dabei, bis sie fertig sind. Ich habe gesehen, wie sie einen Kasten mit Teilen für zwei Puzzles hatte und wie sie nach und nach Teile für jedes heraussuchte. Alle Befunde scheinen auf eine angeborene Abnormalität hinzuweisen, die so aussieht, als handle es sich eher um eine Persönlichkeitsstörung als um einen organischen Defekt.

 

Virginia, die jüngere von zwei Geschwistern, war die Tochter eines Psychiaters, der von sich (im Dezember 1941) selbst sagte: „Ich habe Kinder nie gemocht, von meiner Seite wahrscheinlich eine Reaktion auf die Einschränkung der Bewegungsfreiheit (beim Reisen), die kleinen Störungen und Aufregungen.“

Von Virginias Mutter sagte ihr Mann: „Sie ist in keiner Weise ein Muttertyp. Ihr Verhalten (einem Kind gegenüber) ist eher das Verhalten gegenüber einer Puppe oder einem Spielzeug als alles Andere.“

 

Virginias Bruder Philipp, fünf Jahre älter, als er uns überwiesen wurde, weil er mit 15 Jahren schwer stotterte, brach in Tränen aus, als er gefragt wurde, wie es zu Hause zugehe und schluchzte: „Mein Vater hat nur dann etwas mit mir zu tun gehabt, wenn er mich beschuldigte, etwas falsch gemacht zu haben.“ Seine Mutter fügte dem nicht eben viel hinzu. Er hatte das Gefühl, dass er sein ganzes Leben in einer „kalten Atmosphäre“ mit zwei unnahbaren Fremden verbracht hatte.

 

Im August 1938 beobachtete der Psychologe in der Schule, dass Virginia auf Töne reagieren konnte, auf das Nennen ihres Namens und auf die Aufforderung: „Schau her!“

 

Sie achtet nicht auf das, was ihr gesagt wird, aber versteht schnell, was man von ihr erwartet. Ihre Leistung zeigt sich beim Unterscheidenkönnen, bei der Sorgfalt und Genauigkeit.

 

Beim sprachunabhängigen Teil des Binet-Tests und dem Merrill-Palmer-Test erreichte sie einen IQ von 94. „Ohne Zweifel“, kommentierte der Psychologe,

 

„ist ihre Intelligenz höher. Sie ist still, ernst und ruhig. Ich habe sie nicht einmal lachen sehen. Sie bleibt in sich verschlossen, sondert sich von Anderen ab. Sie scheint in einer eigenen Welt zu sein, beachtet nichts als das, was gerade dran ist*. Meist ist sie selbstzufrieden und unabhängig. Wenn andere sie angreifen, nimmt sie das ohne zu reagieren hin. Sie zeigte keine Freundlichkeit oder Interesse Personen gegenüber. Auf der anderen Seite hat sie Freude daran mit Dingen umzugehen, wobei sie Phantasie und Initiative zeigt. Typischerweise gibt es kein Anzeichen von Gefühl …

 

Notizen des Psychologen vom Oktober 1939: Heute fühlte sich Virginia im Büro viel mehr zu Hause. Sie erinnerte sich (nach mehr als einem Jahr) wo die Spielsachen verwahrt wurden und sie bediente sich selbst. Sie konnte nicht überzeugt werden, an Tests teilzunehmen, wollte sich nicht darauf einlassen, etwas auf Wunsch vorzumachen. Schnelle, geschickte Bewegungen, Lernen durch Versuch und Irrtum und Einsicht. Sehr wenige unnütze Bewegungen. Eine sofortige Wiederholung vom Test reduzierte die Zeit, die sie brauchte, und die Fehlerquote um mehr als die Hälfte. Es gibt häufig Zeiten, in denen sie alles komplett vergisst außer das, worauf sie gerade fixiert ist.

Januar 1940: Meist ist sie ruhig, wie sie immer allein sich beschäftigt und gespielt hat*. Sie hat sich nie einer Autorität widersetzt oder Probleme gemacht. Bei Gruppenaktivitäten wird sie schnell unruhig, windet sich und möchte weg, um ihrem Interesse an irgendetwas komischem Anderen nachzugehen. Sie gibt einige Laute von sich, schreit, wenn sie zu sehr von einem anderen Kind bedrängt oder bekämpft* wird. Sie summt vor sich hin, und am ersten Dezember hörte ich, wie sie die Melodie eines Weihnachtsliedes richtig summte, während sie Papierketten zusammenklebte.

Juni 1940: die Klassenkameradinnen haben gesagt, dass Virginia einige Wörter sagte, als sie in der Hütte waren. Sie erinnern sich, dass sie Kandis sehr liebt und „Schokolade“, „Marschmallow“, auch „Mama“ und „Baby“ sagt.

 

Als am 11. Oktober 1942 Virginia da war, war sie ein großes, schlankes, sehr nett gekleidetes elfjähriges Mädchen. Sie reagierte, als sie aufgefordert wurde aufzustehen und näher zu kommen, aber ohne je die Person anzuschauen, die sie aufforderte. Sie blieb still stehen und guckte in die Luft. Gelegentlich wiederholte sie als Antwort auf eine Frage „Mama, Baby“.

Als um das Klavier eine Gruppe gebildet wurde, ein Kind spielte und die anderen sangen, saß Virginia zwischen den Kindern, offensichtlich nicht registrierend, was vor sich ging, und wirkte in sich gekehrt. Sie schien nicht zu bemerken, als die Kinder zu singen aufhörten. Als sich die Gruppe auflöste, veränderte sie ihre Position nicht und es schien so, als wäre ihr nicht bewusst, dass sich die Szene veränderte. Sie hatte einen intelligenten Gesichtsausdruck, obwohl der Ausdruck der Augen kalt war.

 

Fall 7

 

Herbert B. wurde am 5. Februar 1941 im Alter von drei Jahren und zwei Monaten vorgestellt. Man dachte, dass er in seiner intellektuellen Entwicklung ernsthaft retardiert sei. Es gab keine körperlichen Anomalien, außer hoch stehenden Hoden. Sein Elektroencephalogramm war normal.

 

Herbert war am 16. November 1937 zwei Wochen vor dem Termin mit Kaiserschnitt geboren. Sein Geburtsgewicht betrug 6¼ Pfund. Er erbrach jegliche Nahrung von der Geburt an bis zum dritten Monat. Dann hörte das Erbrechen fast abrupt auf und die Nahrungsaufnahme verlief zufriedenstellend (abgesehen von gelegentlichem Erbrechen). Nach Aussage seiner Mutter war er immer „bedächtig und ruhig“. Eine Zeit lang glaubte man, er sei taub, „weil er keine Veränderung der Lautstärke registrierte, wenn man zu ihm sprach oder in Anwesenheit von Leuten gesprochen wurde. Auch machte er keine Versuche zu sprechen oder Wörter zu formen.“ Er hielt seinen Kopf mit vier Monaten und saß mit acht Monaten, aber er versuchte nicht zu laufen, bis er zwei Jahre alt war. Dann begann er plötzlich „zu laufen ohne ein vorhergehendes Krabbeln oder Zuhilfenahme von Stühlen“. Er weigerte sich permanent, Flüssigkeiten aus etwas anderem zu trinken als aus einem Glasgefäß. Als er einmal im Krankenhaus war, nahm er drei Tage lang keine Flüssigkeit zu sich, weil sie ihm in Zinnbechern gereicht wurde. Er war entsetzlich „ängstlich bei fließendem Wasser, Gasbrenner und vielen anderen Dingen.“ Er flippte aus, wenn irgend etwas, woran er gewöhnt war, verändert wurde. „Wenn er eine Veränderung bemerkt, macht er davon viel Aufhebens und schreit.“ Aber er selbst liebt es, Jalousien rauf und runter zu ziehen, Pappkartons in kleine Streifen zu zerreißen und damit stundenlang zu spielen und Türen auf- und zuzumachen.

 

Herberts Eltern trennten sich kurz nach seiner Geburt. Sein Vater, ein Psychiater, wird als „Mann von ungewöhnlicher Intelligenz, sensibel, ruhelos, selbstkritisch, sich selbst sehr wichtig nehmend, an Menschen nicht interessiert, meist für sich seiend, manchmal dem Alkohol zugetan“ beschrieben. Die Mutter, eine Ärztin, spricht von sich als „energisch und zupackend, jemand, der Menschen und Kinder mag, aber wenig Ahnung von ihren Problemen hat, sie findet es viel leichter, Menschen zu akzeptieren als zu versuchen sie zu verstehen.“ Herbert ist das jüngste von drei Kindern. Der zweite ist ein normaler, gesunder Junge. Die Älteste, Dorothy, die im Juni 1934 nach 36 Stunden harter Arbeit geboren wurde, schien für ein Kind munter und verständig und sprach mit 18 Monaten viele Wörter, aber gegen Ende des zweiten Lebensjahres „zeigte sie keinen großen Fortschritt in ihrem Spielverhalten oder im Kontakt zu anderen Personen.“ Sie wollte allein gelassen werden, tanzte im Kreis herum, machte mit ihrem Mund komische Geräusche und ignorierte Personen vollkommen, abgesehen von ihrer Mutter, an die sie sich „bei Panik und Unruhe“ klammerte. (Ihr Vater hasste sie angeblich.) „Ihre Sprache war sehr kümmerlich und es fehlte ganz die Fähigkeit, Gedanken auszudrücken. Sie hatte Schwierigkeiten mit den Pronomen und sprach „du“ und „ich“ nach, statt sie für die richtige Person zu benutzen.“ Sie war zuerst für schwachsinnig gehalten worden, dann für schizophren, aber nachdem sich die Eltern getrennt hatten (die Kinder blieben bei der Mutter), „blühte sie auf“. Sie besuchte nun eine Schule, wo sie gute Fortschritte machte. Sie spricht gut, hat einen IQ von 108, ist sensibel und begreift schnell, ist an Personen interessiert und kommt recht gut mit ihnen aus.

 

Herbert, als er beim ersten Besuch untersucht wurde, hatte einen bemerkenswert intelligenten Gesichtsausdruck und eine gute motorische Koordination. In bestimmten Grenzen legte er eine erstaunliche Zielgerichtetheit bei der Verfolgung selbst gewählter Ziele an den Tag. Aus einer Gruppe von Klötzen unterschied er genau die, die auf einem Brett festgeklebt waren von denen, die man abnehmen konnte. Er konnte einen Turm mit Klötzen bauen so gut und so hoch wie irgendein ein Kind seines Alters oder sogar älter. Man konnte ihn von seinen selbst gewählten Beschäftigungen nicht abbringen. Er war bei jeglicher Störung verärgert, schob Eindringlingen beiseite (ohne sie anzugucken), oder er schrie, wenn das Wegschieben keine Wirkung hatte.

 

Er wurde wieder angesehen, als er vier Jahre und sieben Monate alt war, und wieder, als er fünf Jahre und zwei Monate alt war. Er sprach noch nicht. Beide Male kam er ins Büro, ohne den anwesenden Personen die geringste Beachtung zu schenken. Er suchte das Seguin-Formenbrett und beschäftigte sich selbst, indem er die Figuren an die richtige Stelle setzte und sie gewandt und schnell wieder herausnahm. Wenn er gestört wurde, wimmerte er ungeduldig. Wenn eine Figur heimlich entfernt wurde, bemerkte er sofort, dass sie fehlte, wurde verstört, aber vergaß sofort alles, was damit zu tun hatte, wenn sie zurückgestellt war. Als er sich einmal nach einem Ärger wegen des entfernten Formbrettes schließlich beruhigt hatte, sprang er auf der Couch mit einem verzückten Gesichtsausdruck auf und ab. Er reagierte nicht, wenn er gerufen wurde oder auf irgendeine andere Weise angesprochen wurde. Er war vollkommen von dem in Anspruch genommen, was er gerade tat. Er lächelte nie. Manchmal äußerte er unartikulierte Töne in einem monotonen Singsang. Einmal streichelte er liebevoll das Bein seiner Mutter und berührte es mit seinen Lippen. Er nahm Klötze und andere Sachen oft in den Mund. Sein Verhalten war fast gleich bei beiden Besuchen mit der einen Ausnahme, dass er mit vier Jahren Furcht zeigte, wenn ein Streichholz angezündet wurde, während er mit fünf Jahren so reagierte, dass er wie besessen auf und ab sprang.

 

8. Fall

 

Alfred L. wurde von seiner Mutter im November 1935 im Alter von dreieinhalb Jahren gebracht mit folgender Klage:

 

Er hat allmählich eine auffallende Tendenz entwickelt, sich auf ein Spezialinteresse zu konzentrieren, das total alle Tagesaktivitäten bestimmt. Während er seinem Interesse nachgeht, redet er von nichts anderem. Er grämt sich, wenn er sich dem nicht hingeben kann kann, (indem er es sieht, damit in Kontakt kommt, davon Bilder malt), und es ist schwer, wegen seiner Hauptbeschäftigung seine Aufmerksamkeit zu bekommen. … *Es gab auch das Problem einer übermäßigen Fixierung auf Objekte und des Ausbleibens eines normalen sozialen Bewusstseins.

 

Alfred wurde im Mai 1932 drei Wochen vor dem Geburtstermin geboren. Während der ersten zwei Monate bereitete die Nahrungszusammensetzung erhebliche Mühe, aber dann nahm er schnell zu und wurde ein ungewöhnlich großes und kräftiges Baby. Er saß mit fünf Monaten und lief mit 14 Monaten.

Die Sprache entwickelte sich langsam. Er schien kein Interesse daran zu haben. Er spricht selten von etwas, was er erlebt hat. Er verwechselt noch die Pronomen. Er stellt nie Fragen in der Frageform (mit der angemessenen Modulation). Seit er sprach, gab es die Tendenz, dass er ein Wort oder einen Satz immer und immer wiederholte. Fast nie sagte er einen Satz, ohne ihn zu wiederholen. Als er gestern ein Bild anschaute, sagte er viele Male: „Einige Kühe stehen im Wasser.“ Wir zählten 50 Wiederholungen, dann hörte er auf, nachdem er es noch verschiedene Male gesagt hatte, und begann dann immer wieder damit.

 

Es gab viel, das ihn verwirrte:

 

Er ärgert sich, wenn das Brot in den Ofen gelegt wird um Toast zu machen und er hat Angst, dass es anbrennt und beschädigt wird. Er gerät außer sich, wenn die Sonne aufgeht, er ist außer sich, weil der Mond in der Nacht nicht immer am Himmel erscheint. Er zieht es vor, allein zu spielen. Er verlässt ein Gerät, sobald ein anders Kind sich nähert. Er mag es, aus großen Kisten etwas zu basteln (zum Beispiel einen Karren machen) und will nicht, dass irgendjemand hineinsteigt oder stört.

 

Als das Daumenlutschen mit einer mechanischen Kniffen verhindert werden sollte, hörte er damit auf und nahm stattdessen verschiedene Sachen in den Mund. Verschiedentlich wurden Kieselsteine in seinem Stuhl gefunden. Kurz vor seinem zweiten Geburtstag schluckte er Stoff von einem Osterhasen runter, bekam etwas von dem Stoff in die Luftröhre, so dass ein Luftröhrenschnitt notwendig war. Einige Monate später schluckte er etwas Petroleum, wurde aber nicht krank davon.

 

Alfred war ein Einzelkind. Sein Vater, bei seiner Geburt 30 Jahre alt, „kann nicht gut mit Menschen umgehen, ist misstrauisch, leicht verletzt, braust schnell auf, muss gedrängt werden, Freunde zu besuchen, verbringt seine geringe Zeit mit Lesen, Gartenarbeit und Fischen.“ Er ist Chemiker und hat die Ausbildung an einer juristischen Fakultät abgeschlossen. Die Mutter, gleich alt, ist „klinische Psychologin“, sehr zwanghaft, reizbar. Die Großeltern väterlicherseits starben früh. Sein Vater war von einem Pfarrer adoptiert worden. Der Großvater mütterlicherseits, ein Psychologe, war sehr zwanghaft, hatte zahlreiche Tics, fiel durch „wiederholtes Händewaschen auf, dachte einseitig, hatte Angst, allein zu sein, hatte Herzbeklemmungen.“ Die Großmutter, „eine aufgeregte explosive Person, ist öffentlich aufgetreten, veröffentlichte mehrere Bücher, ist eine unablässige Solitaire-Spielerin, regt sich über Geldprobleme auf.“ Ein Onkel von der Seite der Mutter rannte oft von zu Hause und von der Schule weg, ging zur Marine und „machte später eine gute Karriere im Wirtschaftsbereich“.

Die Mutter verließ ihren Mann zwei Monate nach Alfreds Geburt. Das Kind hat mit seiner Mutter und den Großeltern mütterlicherseits zusammengelebt. „Im Haus ist eine Vorschule und ein Kindergarten, geführt von seiner Mutter, was für das Kind einige Verwirrung schafft.“ Alfred sah seinen Vater nicht, bis er drei Jahre und vier Monate alt war. Dann entschied seine Mutter, dass „er seinen Vater kennen sollte“, und sie „unternahm Schritte, dass der Vater zu ihnen kam, um das Kind zu sehen.“

 

Als Alfred in das Untersuchungszimmer kam, nahm er keine Notiz von dem untersuchenden Arzt. Er erblickte sofort einen Zug in dem Spielzeugschrank, nahm ihn heraus und verband die Wagen miteinander und machte sie wieder los und das in einer langsamen monotonen Weise. Er blieb dabei viele Male zu sagen: „Noch einen Zug, noch einen Zug, noch einen Zug.“ Wiederholt zählte er die Wagenfenster: „Eins, zwei Fenster – eins, zwei Fenster – eins, zwei Fenster –vier Fenster, acht Fenster, acht Fenster.“ Er konnte mit nichts von den Zügen weggezogen werden. Ein Binet-Test wurde in einem Zimmer angefangen, in dem es keine Züge gab. Mit viel Mühe war es von Zeit zu Zeit möglich, seine Beschäftigung zu durchbrechen. Schließlich fügte er sich in den meisten Beispielen in einer Weise, die klar zeigte, dass er sie mit wenig Störung bewältigen wollte, das wiederholte sich bei jeder Teilaufgabe. Am Ende erreichte er einen IQ von 140.

 

Nach diesem ersten Besuch stellte seine Mutter ihn nicht mehr vor, weil er sich „immer wieder so aufregte, wenn er mit einem Vertreter der ärztlichen Zunft konfrontiert wurde.“ Im August 1938 sandte sie auf Aufforderung einen schriftlichen Bericht über seine Entwicklung, aus dem folgende Passage zitiert wird:

 

„Er wird einsamer Wolf genannt. Er spielt am liebsten allein und hält sich beim Spiel von Kindergruppen fern. Er beachtet Erwachsene nicht sehr, außer wenn er möchte, dass man ihm Geschichten erzählt. Er vermeidet Wettbewerbssituationen. Kleine Geschichten liest er allein. Er hat große Angst verletzt zu werden. Er redet viel über den Gebrauch des elektrischen Stuhls. In Panik gerät er, wenn jemand sein Gesicht zufällig verdeckt.“

 

1941 wurde Alfred wieder vorgestellt. Seine Eltern hatten sich entschieden zusammenzuleben. Davor war der Junge in elf verschiedenen Schulen gewesen. Er musste oft das Bett hüten wegen Erkältungen, Bronchitis, Windpocken, Streptokokken, Infektionen, Eiterpusteln und einem vage beschriebenen Zustand, den seine Mutter, worauf sie bestand, „rheumatisches Fieber“ nannte, was aber von verschiedenen Kinderärzten nicht unterstützt wurde. Während er im Krankenhaus war, soll er sich wie ein „manischer Patient“ verhalten haben. Die Mutter bezeichnete sich gern als Psychiaterin und machte „psychiatrische“ Diagnosen für das Kind. Die folgende Information wurde nach dem Bericht der Mutter, der viele detaillierte Beispiele mit „Erklärungen“ verband, die Alfreds „Normalität“ stützen sollten, zusammengestellt:

 

Er hatte begonnen mit Kindern, die jünger als er waren, zu spielen, „indem er sie wie Puppen benutzte, das war alles.“ Er war mit Musik, Theater und Erzählungen vollgestopft worden und konnte das ausgezeichnet behalten. Er war noch von seinem Spiel „fürchterlich in Anspruch genommen“, wollte keine Leute um sich haben, er konnte sich nicht entspannen.

Er hatte viele Ängste, fast immer verbunden mit mechanischen Geräuschen (Fleischwolf, Staubsauger, Autos, Züge usw.). Gewöhnlich endete das mit einem zwanghaften Interesse für die Sachen, vor denen er sich fürchtete. Nun hat er Angst vor dem schrillen Klang von Hundegebell.

Alfred war währende des gesamten Interviews außerordentlich angespannt und in einem Ausmaße ernst, dass, wäre nicht seine jugendliche Stimme gewesen, hätte er den Eindruck eines nervösen, viel beschäftigten kleinen, alten Mannes erwecken können. Gleichzeitig war er sehr ruhelos und stand unter einem beachtlichen Druck zu reden, was aber nichts Persönliches betraf, sondern zwanghafte Fragen über Fenster, Schatten, dunkle Räume, besonders das Röntgenzimmer. Er lächelte nie. Kein Themenwechsel konnte ihn vom Thema Licht und Dunkelheit abbringen. Aber zwischendurch beantwortete er die Fragen, die der untersuchende Arzt ihm stellte, die oft mehrere Male wiederholt werden mussten und auf die er manchmal antwortete wie bei einem Handel: „Du beantwortest meine Frage und ich beantworte deine.“ Er war ganz genau in seinen Erklärungen. Ein Ballon „ist aus Gummi gemacht, ist mit Luft gefüllt und einige haben Gas, manchmal gehen sie in die Luft und manchmal bleiben sie unten, und wenn ein Loch entsteht, platzen sie. Wenn Leute drücken, platzen sie. Ist das richtig?“ Ein Tiger „ist ein Ding, Tier, gestreift, wie eine Katze, kann kratzen, frisst Menschen, wild, lebt manchmal im Dschungel und in Wäldern, meist im Dschungel. Ist das richtig?“ Diese Frage „Ist das richtig?“ wollte er beantwortet haben. Er hatte den ernsthaften Wunsch, bestätigt zu bekommen, dass seine Erklärung absolut vollständig war. Manchmal war er verwirrt wegen der Bedeutung von Wörtern. Als ihm ein Bild gezeigt und gefragt wurde: „Was stellt dieses Bild dar?“(What is this picture about?), antwortete er: „Menschen laufen herum?“(people are moving about.)* Er hielt einmal inne und fragte, sehr überrascht, warum „The Johns Hopkins Hospital“ auf den Blättern stehe: „Warum müssen sie das sagen?“* Dies war für ihn ein großes Problem von großer Wichtigkeit, was großes Nachdenken und Diskutieren erforderte. Da die Geschichten im Krankenhaus aufgenommen wurden, warum sollte es nötig sein, den Namen auf jedem Blatt zu haben, obwohl die Person, die darauf schreibt, weiß, wo sie schreibt? Der Untersucher, an den er sich sehr gut von seinem Besuch vor sechs Jahren erinnerte, war für ihn nicht mehr und nicht weniger als eine Person, von der er erwartete, seine zwanghaften Fragen über Dunkelheit und Licht beantwortet zu bekommen.

 

Fall 9

 

Charles N. wurde von seiner Mutter am 2. Februar 1943 im Alter von viereinhalb Jahren gebracht. Sie beklagte sich am meisten über Folgendes: „Was mich am meisten beunruhigt ist, dass ich mein Kind nicht erreichen kann.“ Sie begann ihren Bericht, indem sie sagte: „Ich bemühe mich sehr, meine Anmerkungen nicht vom Fachwissen bestimmen zu lassen, das in meine eigene Denkweise bis jetzt eingeflossen ist.“

 

Als Baby war der Junge wenig aktiv, „langsam und phlegmatisch“. Er lag in seinem Bettchen und starrte vor sich hin. Er bewegte sich fast, als wäre er hypnotisiert. Er schien sich nur auf eine Sache zu seiner Zeit konzentrieren zu können. Schilddrüsenunterfunktion wurde vermutet, und ihm wurde ein Schilddrüsenmittel gegeben, ohne dass sich etwas veränderte.

Seine Freude an und seine Vorliebe für Musik machten mir Mut, ihm Schallplatten vorzuspielen. Als er anderthalb Jahre alt war, konnte er achtzehn Symphonien unterscheiden. Er erkannte den Komponisten, sobald die Musik begann. Er würde sagen „Beethoven“. Ungefähr zu derselben Zeit begann er damit, Spielzeug, Flaschenverschlüsse und Krüge stundenlang kreiseln zu lassen. Er verfügt über eine gute manuelle Geschicklichkeit, Zylinder kreiseln zu lassen. Er beobachtete das und wurde dabei sehr aufgeregt und sprang wie in Ekstase auf und ab. Nun interessiert er sich dafür, Licht von Spiegeln zu reflektieren und die Reflexe einzufangen. Wenn er sich für etwas interessiert, kann man ihn nicht davon abbringen. Er beachtet mich nicht und zeigt kein Wiedererkennen, wenn ich in den Raum komme …

Das Beeindruckendste an ihm ist seine zur Absonderung und seine Unzugänglichkeit. Er läuft herum, als wäre er in einer Wolke, lebt in seiner eigenen Welt, wo man ihn nicht erreichen kann. Kein Hinweis auf eine Beziehungsfähigkeit zu Personen. Er hatte eine Zeit, wo er nachsprach, was andere sagten. Er sagt nichts von sich aus. Sein ganzes Reden ist eine Wiederholung dessen, was zu ihm gesagt wurde. Er sprach gewöhnlich von sich in der 2. Person, nun benutzt er manchmal die 3. Person. Er sagt „Er will“, nie „Ich will“ …*

Er ist zerstörerisch. Die Möbel in seinem Zimmer sehen aus, als ob es Brocken von Möbeln wären. Er bricht einen roten Stift in zwei Teile und sagt: „Du hattest einen hübschen roten Stift, und nun sind es zwei Teile. Sieh, was du gemacht hast.“ Er entwickelte eine Vorliebe für Kot, versteckte ihn irgendwo (z.B. in Schubladen), zog mich auf, wenn ich in das Zimmer kam: „Du machtest deine Hosen schmutzig, nun kannst du deine Malstifte nicht bekommen.“

Es hat sich so ergeben, dass er noch nicht sauber ist. Er kotet nie im Kindergarten ein, er macht es immer, wenn er nach Hause kommt. Das ist auch so mit dem Einnässen. Er ist stolz, wenn er eingenässt hat, springt auf und ab in Ekstase und sagt: „Sieh die große Pfütze, die er gemacht hat.“

Wenn er mit anderen Leuten zusammen ist, sieht er sie nicht an. Im vergangenen Juli hatten wir eine Gruppe von Leuten. Als Charles hereinkam, war er wie ein Fohlen, das man aus einem eingezäunten Gelände freigelassen hatte. Er beachtete sie nicht, aber spürte ihre Anwesenheit. Er macht eine Stimme nach, er singt, und manche Leute können an dem Kind nichts Abnormales feststellten.

In der Schule schließt er sich nie einer Gruppe an. Er ist von dem Rest der Kinder abgesondert, außer bei einer Veranstaltung. Wenn es Musik gibt, geht er in die erste Reihe und singt.

Er hat ein wunderbares Gedächtnis für Wörter. Der Wortschatz ist gut, außer für Pronomen. Er beginnt nie ein Gespräch, und seine Fähigkeit zur Kommunikation ist begrenzt, es geht nur weiter, solange die Themen interessieren.

 

Charles wurde normal geboren, ein geplantes und erwünschtes Kind. Er saß mit sechs Monaten und lief mit weniger als 15 Monaten. „Eines Tages stand er einfach auf und lief, kein vorhergehendes Krabbeln.“ Er hat keine der üblichen Kinderkrankheiten gehabt.

Charles ist das älteste von drei Kindern. Der Vater, mit Highschool-Abschluss und Tuchhändler, wird als eine „durch eigene Kraft hochgekommene, höfliche, ruhige und sanfte Person beschrieben.“ Die Mutter hat ein „erfolgreiches Unternehmen in New York, ein Büro für die Buchung von Theateraufführungen. Sie ist von bemerkenswertem Gleichmut.“ Als Charles die Klinik besuchte, waren die anderen beiden Kinder 28 und 14 Monate alt. Die Großmutter mütterlicherseits, „sehr dynamisch, kraftvoll, hyperaktiv, fast manisch“, hatte Einiges geschrieben und komponiert. Eine Tante mütterlicherseits, „neurotisch, sehr brillant, Neigung zu Hysterie“, hat Gedichte und Lieder geschrieben. Eine andere Tante wurde als das „Mannweib der Familie“ bezeichnet. Ein Onkel von der Seite der Mutter, ein Psychiater, hat ein beachtliches musikalisches Talent. Die Verwandten des Vaters werden als einfache, gewöhnliche Leute“ beschrieben.

 

Charles war ein gut entwickelter, intelligent aussehender Junge, der über eine gute Gesundheit verfügte. Er trug eine Brille. Als er hereinkam, beachtete er die anwesenden Personen (drei Ärzte, seine Mutter und seinen Onkel) nicht im geringsten. Ohne jemanden anzugucken sagte er: „Gib mir einen Stift!“ und nahm ein Blatt Papier vom Tisch und schrieb etwas, das einer 2 glich (ein großer Tischkalender zeigte an herausragender Stelle die Zahl 2, es war der 2. Februar). Er hatte eine Ausgabe von Reader’s Digest mitgebracht und war von einem Bild, das ein Baby zeigte, fasziniert. Er sagte unzählige Male: „Sieh das lustige Baby an“, manchmal hinzufügend: „Ist er nicht lustig? Ist er nicht süß?“

Als ihm das Buch weggenommen wurde, kämpfte er mit der Hand, die es festhielt, ohne die Person anzugucken, die das Buch weggenommen hatte. Als er mit einer Nadel gepiekst wurde, sagte er: „Was ist das?“ und beantwortete seine eigene Frage: „Es ist eine Nadel.“

Er schaute furchtsam auf die Nadel, wich vor weiteren Pieksern zurück, aber zu keiner Zeit schien er das Pieksen mit der Person in Verbindung zu bringen, die die Nadel hielt. Als ihm Reader’s Digest weggenommen und auf den Boden geworfen und ein Fuß darauf gestellt wurde, versuchte er, den Fuß zu entfernen, als wäre es ein anderer, abgetrennter und störender Gegenstand, wieder mit keinem Bezug zu der Person, zu der der Fuß gehörte. Einmal wandte er sich seiner Mutter zu und sagte erregt: „Gib es dir.“

Als er mit dem Seguin-Formenbrett konfrontiert wurde, war er vor allem an den Namen für die Formen interessiert, bevor er sie in die richtigen Löcher setzte. Er ließ die Formen oft kreiseln, sprang aufgeregt auf und ab, während sie sich bewegten. Die ganze Veranstaltung war mit vielen Wiederholungen verbunden. Er benutzte nie die Sprache, um mit Menschen zu kommunizieren. Er merkte sich Namen wie „Achteck“, „Rhombus“, „Rechteck“, aber nie fragte er „Was ist das?“

Er antwortete nicht, wenn er gerufen wurde und guckte seine Mutter nicht an, wenn sie mit ihm redete. Als die Klötze weggeräumt wurden, kreischte er, stampfte mit den Füßen und schrie: „Ich gebe es dir“ (Bedeutung: „Du gibst es mir.“). Er war in seinen Bewegungen sehr geschickt. Charles wurde in der Devereux-Schule untergebracht.

 

Fall 10

 

John F. wurde zum ersten Mal am 13. Februar 1940 mit zwei Jahren und vier Monaten angesehen.

Der Vater sagte: „Das Hauptproblem, das mich nervös macht, ist die Schwierigkeit bei der Nahrungsaufnahme. Das ist die Hauptsache und das zweite seine langsame Entwicklung. Während der ersten Lebenstage nahm er nicht richtig die Brust an. Nach fünfzehn Tagen wurde er von der Brust auf die Flasche umgestellt, aber er nahm die Flasche nicht zufriedenstellend. Man kann eine lange Geschichte darüber erzählen, wie versucht wurde, ihm Nahrung einzuflößen. Wir haben alles Mögliche probiert. Er ist immer unreif gewesen. Mit 20 Monaten begann er zum ersten Mal zu laufen. Ganz oft lutscht er am Daumen, mahlt mit den Zähnen und vor dem Schlafen rollt er von einer Seite zur anderen. Wenn wir nicht tun, was er will, schreit und brüllt er.“

 

John wurde am 19. September 1937 geboren. Sein Geburtsgewicht betrug 7½ Pfund. Es gab wegen Essschwierigkeiten häufige Krankenhausaufenthalte. Eine körperliche Krankheit wurde nie gefunden, außer dass die vordere Fontanelle bis zum Alter von zweieinhalb Jahren nicht geschlossen war. Er litt an wiederholten Erkältungen und Mittelohrentzündung, was ein Durchstechen beider Trommelfelle nötig machte. John war bis Februar 1943 ein Einzelkind.

 

Sein Vater, ein Psychiater, ist „eine sehr ruhige, sanfte, emotional stabile Person, der in der Familie das beschwichtigende Element ist“. Die Mutter, eine Highschoolabsolventin, arbeitete vor der Verheiratung als Sekretärin in einem Labor für Pathologie, „ein manischer Typ, sieht alles eher pathologisch als in Ordnung. Während der Schwangerschaft war sie sehr besorgt, voller Angst, sie würde das Labor nicht überstehen.“ Die Großmutter väterlicherseits ist „zwanghaft religiös und wäscht alle paar Minuten ihre Hände“. Der Großvater mütterlicherseits war Buchhalter.

 

John wurde von beiden Eltern ins Office gebracht. Er wanderte beständig und ziellos im Zimmer herum. Außer beim spontanen Kritzeln brachte er nie zwei Gegenstände miteinander in Beziehung. Er reagierte nicht auf die einfachsten Aufforderungen, außer dass seine Eltern mit großem Bemühen die Gesten für „Winke, winke“, „Backe Kuchen“ und „Kuckuck“ hervorlockten, was unbeholfen ausgeführt wurde. Sein typisches Verhalten Gegenständen gegenüber war, sie auf den Boden zu werfen.

Drei Monate später zeigte sein Wortschatz eine beachtenswerte Verbesserung, obwohl seine Artikulation fehlerhaft war. Kleine zwanghafte Tendenzen wurden berichtet, solche wie bei jedem Gericht den ersten Löffel voll Essen wegzuschieben. Seine Ausflüge im Office waren geringfügig zielgerichteter.

Am Ende seines vierten Lebensjahres war er zu einer sehr begrenzten Art von gefühlsmäßigem Kontakt in der Lage, und das aber auch nur mit einer sehr begrenzten Anzahl von Personen. Wenn eine solche Beziehung aufgebaut war, musste sie über genau dieselben Kanäle ablaufen.* Er war in der Lage, sorgfältig ausgearbeitete und grammatisch richtige Sätze zu bilden, aber er benutzte das Pronomen der Person*, wenn er sich meinte. Er benutzte die Sprache nicht zur Kommunikation, sondern hauptsächlich zum Nachsprechen von etwas, das er gehört hatte, ohne das Personalpronomen zu verändern. Er hatte eine recht beachtliche Zwanghaftigkeit. Tägliche Routinehandlungen mussten rigide eingehalten werden, die kleinsten Veränderungen im Ablauf verursachten starke Panikausbrüche. Er wiederholte endlos die gleichen Sätze. Er konnte ausgezeichnet auswendig lernen und konnte viele Gebete, Kinderreime und Lieder „in verschiedenen Sprachen“ aufsagen. Die Mutter stopfte in dieser Hinsicht viel in ihn hinein und war sehr stolz auf die „Leistungen“. „Er kann Schallplatten nach der Farbe benennen und wenn er eine Seite der Platte erkannt hat, erinnert er sich, was auf der anderen Seite ist.“

Mit viereinhalb Jahren begann er allmählich die Pronomen richtig zu gebrauchen. Obwohl sein direktes Interesse nur auf Gegenstände gerichtet war, gab er sich große Mühe, die Aufmerksamkeit der untersuchenden Ärztin (Dr. Hilde Bruch) auf sich zu ziehen und ihre Anerkennung zu bekommen. Jedoch redete er sie nie direkt und spontan an. Er wollte die Sicherheit haben, dass die Umgebung genau gleich blieb, dass Türen und Fenster geschlossen blieben. Wenn seine Mutter die Tür öffnete, „um seine Zwanghaftigkeit zu durchbrechen“, schloss er sie heftig wieder und schließlich, als er wieder gestört wurde, brach er äußerst frustriert hilflos in Tränen aus.

Er war außer sich, wenn er sah, dass etwas zerbrochen oder unvollständig war. Er bemerkte zwei Puppen, die er vorher nicht beachtet hatte. Er sah, dass eine von ihnen keinen Hut hatte und wurde ganz unruhig, lief im Zimmer herum, um den Hut zu suchen. Als der Hut aus einem anderen Zimmer wiedergebracht war, verlor er jegliches Interesse an den Puppen.

Als er fünfeinhalb Jahre alt war, beherrschte er den Pronomengebrauch. Er hatte begonnen, zufriedenstellend allein zu essen. Er sah ein Gruppenphoto im Office und er fragte seinen Vater: „Wann kommen sie aus dem Bild und kommen hier herein?“

Das war ihm sehr ernst. Der Vater sagte etwas über die Bilder, die sie zu Hause an den Wänden hatten. Das brachte John ein bisschen durcheinander. Er korrigierte seinen Vater: „Wir haben sie nahe (near) der Wand („an“ – „on“ – bedeutete für ihn offensichtlich „oberhalb“ oder „oben“.)

Als er einen Penny sah, sagte er: „Penny, das ist, wo du mit Kegeln spielst.“ Er hatte Pennies bekommen, wenn er Kegel getroffen hatte, wenn er zu Hause mit seinem Vater gespielt hatte.

Er sah ein Wörterbuch und sagte zu seinem Vater: „Hast du da dein Geld versteckt?“ Einmal hatte sein Vater etwas Geld in einem Wörterbuch zurückgelassen und John gebeten, davon seiner Mutter zu berichten.

Sein Vater pfiff eine Melodie und sofort erkannte er sie richtig als „Mendelsohns Violinkonzert“. Obwohl er von Sachen sagen konnte, ob sie groß oder hübsch waren, war er total unfähig, etwas zu vergleichen („Was ist der dickere Strich?, Das hübschere Gesicht?“ usw.).

 

Im Dezember 1942 und im Januar 1943 hatte er zwei Serien von überwiegend rechtsseitigen Krampfanfällen, verbunden mit einem Schielen (Abweichung der Augen nach rechts) und einer vorübergehenden Lähmung des rechten Armes. Neurologische Untersuchungen ergaben keinen negativen Befund. Der Augenhintergrund war normal. Ein Elektroencephalogramm zeigte einen Herd in der linken occipitalen Region, „aber ein großer Teil der Aufzeichnung konnte nicht gelesen werden, wegen fortlaufend markierter Abweichungen infolge der mangelhaften Kooperation des Kindes.“

 

Fall 11

 

Elaine C. wurde am 12. April 1939 mit sieben Jahren und zwei Monaten wegen einer „ungewöhnlichen Entwicklung“ von ihren Eltern gebracht. „Sie fügt sich nicht ein. Sie streikt bei allen Abstraktionen. Sie versteht die Spiele der anderen Kinder nicht, hat kein Interesse an Geschichten, die ihr vorgelesen werden, geht weg und geht für sich allein, ist vernarrt in alle Arten von Tieren, macht gelegentlich nach, wie sie auf allen Vieren gehen und seltsame Geräusche machen.“

 

Elaine wurde am 3. Februar 1932 termingerecht geboren. Sie machte einen gesunden Eindruck, trank gut, konnte mir sieben Monaten stehen und lief mit weniger als einem Jahr. Sie konnte am Ende ihres ersten Lebensjahres vier Wörter sagen, machte aber keine Fortschritte in der Sprachentwicklung während der folgenden vier Jahre. Man nahm Taubheit an, was aber ausgeschlossen wurde. Wegen einer fieberhaften Erkrankung mit 13 Monaten wurden ihre zunehmenden Schwierigkeiten als mögliche postencephalitische Verhaltensstörung gedeutet. Andere beschimpften die Mutter, der man vorwarf, sie gehe mit dem Kind nicht richtig um. Schwachsinn war eine andere Diagnose. 18 Monatelang gab man ihr Hypophysen- und Schilddrüsenpräparate. „Einige Ärzte“, beeinflusst von Elaines intelligenter Physiognomie, „dachten, dass sie ein normales Kind sei und sagten, dass sich das auswachsen würde.“

Mit zwei Jahren kam sie in den Kindergarten, wo sie „unabhängig ihren Weg ging und nicht tat, was die anderen taten. Sie trank z.B. das Wasser und aß die Pflanze, als ihr beigebracht wurde, wie man mit Pflanzen umgeht.“ Sie entwickelte früh ein Interesse an Bildern von Tieren. Obwohl sie allgemein ruhelos war, konnte sie sich für Stunden konzentrieren, wenn es darum ging, solche Bilder anzuschauen, „besonders Radierungen“.

Als sie mit ungefähr fünf Jahren zu sprechen begann, fing sie mit kompletten, wenn auch einfachen Sätzen an, das waren „automatisch abgespulte Sätze“, die nichts mit der Situation in dem Moment zu tun hatten oder in einem besonderen übertragenen Sinn damit in Beziehung standen. Sie hatte einen ausgezeichneten Wortschatz, kannte besonders gut die Namen und Klassifikationen für Tiere. Sie benutzte die Pronomen nicht richtig, aber den Plural und die Zeiten beherrschte sie gut. Sie konnte „keine Negationen ausdrücken, aber verstand ihre Bedeutung, wenn andere sie benutzten.“

In ihrem Verhalten Situationen gegenüber gab es viele Eigenheiten. Sie kann Zahlen auswendig aufsagen. Sie kann einen Tisch für eine Anzahl von Leuten decken, wenn man ihr die Namen gesagt hat oder die Personen in irgendeiner Weise den Zahlen zugeordnet sind, aber sie kann nicht den Tisch „für Drei“ decken. Wenn man sie schickt, einen bestimmten Gegenstand von einem bestimmten Platz zu holen, kann sie ihn nicht bringen, wenn er woanders, aber noch sichtbar ist.

 

Sie erschreckte sich bei Geräuschen und wenn etwas auf sie zukam. Sie fürchtete sich so sehr vor einem Staubsauger, so dass sie sogar nicht in die Nähe eines Klos gehen wollte, wo er aufbewahrt wurde, und wenn er benutzt wurde, rannte sie in die Garage und bedeckte ihre Ohren mit den Händen.

 

Elaine war das Ältere von zwei Kindern. Ihr Vater, der 36 Jahre alt war, studierte Recht und Geisteswissenschaften an drei Universitäten (auch an der Sorbonne), war ein Werbetexter, „eine von den chronisch dünnen Personen von nervöser Energie“. Eine Zeit lang war er Herausgeber einer Zeitschrift. Die Mutter, die 32 Jahre alt war, „eine kontrollierte, sanfte, logische denkende Person“, hatte vor ihrer Verheiratung für ein Magazin redaktionelle Tätigkeiten ausgeübt. Der Großvater mütterlicherseits war Herausgeber einer Zeitung, die Großmutter war „emotional wenig stabil“.

 

Als Elaine fast sieben Jahre alt war, wurde sie von einem Psychologen in Boston untersucht. Der Bericht sagte u.a.:

 

Ihre Haltung gegenüber der untersuchenden Person bleibt unbestimmt und unverbindlich. Wenn sie nachhaltig gestört wurde, konnte sie energisch einen Tisch beiseite schieben oder eine Hand mit einem Schrei zurückdrängen, aber sie bat nicht um Hilfe oder Zuneigung. In günstigen Momenten konnte sie mit ihren Buntstiften umgehen oder Teile zu Bildern von Tieren zusammenfügen. Sie konnte eine große Anzahl von Bildern benennen, u.a. Elefanten, Alligatoren und Dinosaurier. Sie benutzte Sprache mit Sätzen von einfacher Struktur, aber beantwortete selten eine direkte Frage. Wenn sie spielt, wiederholt sie immer wieder Sätze, die zu der jeweiligen Situation nicht passen.

 

Körperlich hatte das Kind eine gute Gesundheit. Ihr Elektroencephalogramm war normal.

Als sie im April 1939 untersucht wurde, gab sie dem Arzt auf Aufforderung die Hand, ohne ihn anzugucken, rannte dann zum Fenster und guckte raus. Automatisch reagierte sie auf die Einladung sich hinzusetzen. Ihre Reaktion auf Fragen war – nach vielen Wiederholungen – ein Nachsprechen der ganzen Frage (Typ Echolalie), oder, wenn sie (die Frage) zu lang war, vom Ende der Frage. Sie hatte mit den Personen im Untersuchungszimmer keinen richtigen Kontakt. Sie hatte einen leeren Ausdruck, obwohl nicht unintelligent, und sie benutzte keine kommunikativen Gesten. Einmal, ohne ihren Gesichtsausdruck zu ändern, sagte sie plötzlich: „Fische weinen nicht.“ Nach einiger Zeit stand sie auf und verließ das Zimmer ohne zu fragen oder Angst zu zeigen.

 

Sie wurde im Child Study Home of Maryland untergebracht, wo sie drei Wochen blieb und von den Doktoren Eugenia S. Cameron und George Frankl untersucht wurde. Während sie dort war, lernte sie bald die Namen aller Kinder, wusste die Farben ihrer Augen, das Bett, in dem ein jedes schlief, und viele andere Einzelheiten über sie, aber sie ging nie eine Beziehung zu ihnen ein. Wenn sie mit zum Spielplatz genommen wurde, war sie höchst verunsichert und rannte zu ihrem Zimmer zurück. Sie war sehr ruhelos, aber wenn sie Bilder angucken, mit Klötzen spielen, malen oder Perlen aufziehen durfte, konnte sie sich stundenlang zufrieden beschäftigen. Jedes Geräusch, jede Art von Unterbrechung, störte sie. Als sie einmal auf der Toilette saß, hörte sie ein Klopfen in den Rohren. Für mehrere Tage danach, sogar wenn sie in ihrem Zimmer auf einen Nachttopf gesetzt wurde, machte sie kein großes Geschäft und horchte ängstlich nach dem Geräusch. Sie stieß oft stereotype Sätze aus wie: „Dinosaurier weinen nicht.“, „Flusskrebs, Haie, Fisch und Klippen.“, „Flusskrebs und Gabeln leben in den Bäuchen der Kinder.“, „Schmetterlinge leben in den Bäuchen der Kinder und auch in ihren Hosen“, „Fische haben scharfe Zähne und beißen kleine Kinder“, „Es ist Krieg am Himmel.“, „Felsen und Klippen will ich töten.“ (Sie packte dabei ihre Bettdecke und warf sie aus dem Bett.) „Wasserspeier beißen Kinder und trinken Öl.“, „Ich will den alten Regenwurm zerquetschen, er beißt Kinder.“ (Sie fletschte ihre Zähne, drehte sich im Kreis herum, war sehr aufgeregt.), „Wasserspeier haben Milchbeutel“, „Nadelkopf. Pink wee-wee hat ein gelbes Bein. Schneidet den toten Hirsch. Gift Hirsch. Arme Elaine. Keine Kaulquappen im Haus. Männer brachen die Beine des Hirsches.“ (Dabei schnitt sie das Bild von einem Hirsch aus einem Buch aus.). „Tiger und Katzen“, „Schnecken und Salamander“, „Bären und Füchse“.

 

Einige Auszüge aus den Aufzeichnungen folgen:

 

Ihre Sprache ist immer von gleicher Qualität. Ihr Sprechen ist nie von Mimik oder Gesten begleitet. Sie schaut niemandem ins Gesicht. Ihre Stimme ist eigentümlich gleich bleibend, irgendwie rau, sie spricht die Wörter sehr abrupt aus.

Ihre Äußerungen sind unpersönlich. Sie benutzt die Personalpronomen für die erste und zweite Person nie korrekt. Sie scheint nicht in der Lage zu sein, die wirkliche Bedeutung dieser Wörter zu begreifen.

Ihre Grammatik ist unflexibel. Sie benutzt Sätze gerade so, wie sie sie gehört hat, ohne sie grammatisch an die jeweilige Situation anzupassen. Wenn sie sagt: „Bitte mich, eine Spinne zu malen“, meint sie: „Ich möchte, dass du eine Spinne malst.“

Sie bejaht etwas, indem sie die Frage wörtlich wiederholt, und sie verneint etwas, indem sie es nicht ausführt. Ihre Sprache ist kaum kommunikativ. Sie hat keine Beziehung zu Kindern, sie sprach nie mit ihnen, war nicht freundlich mit ihnen, spielte nicht mit ihnen. Sie bewegt sich unter ihnen wie ein fremdes Wesen, wie jemand sich zwischen Möbelstücken in einem Zimmer bewegt.

Sie besteht immer auf der Wiederholung derselben Routinehandlungen. Einer der meist häufigen Anlässe für ihre Ausbrüche ist die Unterbrechung ihrer Routine. Ihre eigenen Aktivitäten sind einfach und wiederholen sich. Sie ist in der Lage, stundenlang in einer Art Tagträumerei zu verharren und scheint dabei sehr glücklich zu sein.

Sie hatte eine Neigung zu selbstbefriedigenden rhythmischen Bewegungen. Sie masturbierte in Erregungszeiten mehr als in Zeiten, in denen sie ruhig und glücklich war … Ihre Bewegungen waren schnell und geschickt.

 

Elaine wurde in einer Privatschule in Pensylvania untergebracht. In einem Brief, der kürzlich ankam, berichtete der Vater „ziemlich erstaunliche Veränderungen“:

 

Sie ist ein langes kräftiges Mädchen mit klaren Augen, die längst die Spur jener animalischen Wildheit verloren haben, die sie während der Zeit, als Sie sie kennenlernten, zeitweise zeigte. Sie spricht gut über fast jedes Gebiet, aber mit einer etwas merkwürdigen Intonation. Was sie sagt, ist noch unzusammenhängend, oft mit einer Neigung zu Humor, und es ist nur gelegentlich sinnvoll und adressatenbezogen. Sie liest sehr gut, aber sie liest schnell, überspringt Wörter, spricht Wörter nicht deutlich aus und betont nicht richtig. Ihr Allgemeinwissen ist wirklich groß und ihr Gedächtnis ist fast unschlagbar. Es ist offensichtlich, dass Elaine nicht „normal“ ist. Ihr Versagen bei allem führt zu einem Gefühl von Niederlage, von Verzweiflung und zu einem vorübergehenden Anfall von Depression.

 

Diskussion

 

Die elf Kinder (acht Jungen und drei Mädchen), deren Geschichten kurz präsentiert wurden, zeigen, wie zu erwarten ist, individuelle Unterschiede in dem Ausmaß ihrer Störung, in der Ausprägung der besonderen Merkmale, der Familienkonstellation und der schrittweisen Entwicklung im Laufe der Jahre. Aber sogar ein kurzer Rückblick auf das Material lässt das Auftauchen einer Reihe von wichtigen gemeinsamen Charakteristika unvermeidlich erscheinen. Diese charakteristischen Merkmale bilden ein „Syndrom“, worüber bisher nicht berichtet wurde, das selten genug vorzukommen scheint, aber wahrscheinlich häufiger ist, als die wenigen beobachteten Fälle anzeigen. Es ist durchaus möglich, dass einige solcher Kinder als schwachsinnig oder schizophren angesehen worden sind. Tatsächlich wurden mehrere Kinder unserer Gruppe uns als Idioten oder Imbezile vorgestellt, eins ist noch in einer staatliche Schule für Schwachsinnige und zwei wurden vorher für schizophren gehalten.

 

Die hervorstechende, „pathognomonische“, fundamentale Störung vom Lebensbeginn an ist die Unfähigkeit der Kinder, in einer normalen Weise mit Menschen und Situationen in Beziehung zu treten. Die Eltern sagten von ihnen, dass „sie immer selbstzufrieden gewesen seien“, „wie in einer Muschel“, „am glücklichsten, wenn man sie allein ließ“, „sich verhaltend, als wären Menschen nicht da“, „absolut nicht beachtend, was alles um ihn herum ist“, „den Eindruck erweckend von einer stillen Weisheit“, „nicht den üblichen Grad von sozialem Bewusstsein entwickelnd“, „immer agierend wie hypnotisiert“. Dies ist nicht wie bei schizophrenen Kindern und Jugendlichen das Abgleiten aus einer anfangs vorhandenen Beziehung, es ist kein „Rückzug“ von einer vorher dagewesenen Teilnahme. Da ist von Anfang an eine extreme autistische Einsamkeit, die, wenn immer es geht, alles, was auf das Kind von außen zukommt, missachtet, nicht zur Kenntnis nimmt, ausschließt. Direkter körperlicher Kontakt oder eine Bewegung oder ein Geräusch, alles was droht, das Alleinsein zu unterbrechen, wird entweder behandelt „als ob es nicht da wäre“ oder, wenn das nicht länger auszuhalten ist, als störendes Eingreifen schmerzhaft zurückgewiesen.

Nach Gesell stellt sich das durchschnittliche Kind im Alter von vier Monaten, wenn es von einem Tisch hochgehoben oder auf einen Tisch gelegt wird, motorisch darauf ein, verbunden mit einer Anspannung des Gesichtes und einer Anhebung der Schultern Gesell kommentierte:

 

Es ist möglich, dass weniger deutliche Anzeichen solcher Anpassung bereits kurz nach der Geburt gefunden werden können. Zwar muss eine Verhaltensweise durch Erfahrung konditioniert werden, die Möglichkeit, solche Erfahrung zu machen, ist jedoch beinahe immer gegeben, und die Reaktion ist hoch objektiv und verdient weitere Beobachtung und Aufzeichnung.

 

Diese allgemeine Erfahrung wird erworben entsprechend der Häufigkeit, mit der ein Kind von der Mutter oder einer anderen Person hochgenommen wird. Es ist darum hoch signifikant, dass fast alle Mütter unserer Patienten ihr Erstaunen darüber berichteten, dass es bei ihren Kindern zu allen Zeiten nicht vorkam, dass sie durch ihre Haltung anzeigten, dass sie hochgenommen werden wollten. Ein Vater berichtete, dass seine Tochter (Barbara) über Jahre ihre Mimik oder ihre Lage nicht im geringsten veränderte, wenn die Eltern, nachdem sie mehrere Stunden abwesend gewesen waren, sich dem Bettchen näherten, mit ihr redeten und sich anschickten, sie aufzunehmen.

Das durchschnittliche Kind lernt während der ersten Monate, seinen Körper der Körperhaltung der Person anzupassen, die es hält. Unsere Kinder waren dazu nicht in der Lage bis sie zwei oder drei Jahre alt waren. Wir hatten die Gelegenheit, den 38 Monate alten Herbert in einer solchen Situation zu beobachten. Seine Mutter informierte ihn in angemessene Weise, dass sie ihn aufnehmen würde, indem sie ihre Arme in seine Richtung ausstreckte. Es gab keine Reaktion. Sie ging dazu über, ihn aufzunehmen und er ließ es sich gefallen, blieb dabei ganz passiv, als wäre er ein Sack Mehl. Es war seine Mutter, die sich ihm anpassen musste. Herbert war in jener Zeit in der Lage zu sitzen, zu stehen und zu laufen.

Acht der elf Kinder erreichten die Fähigkeit zu sprechen entweder im üblichen Alter oder mit etwas Verzögerung. Drei (Richard, Herbert, Virginia) sind bis jetzt „stumm“ geblieben. Bei keinem der acht „sprechenden“ Kinder hat die Sprache jahrelang nicht dazu gedient, anderen einen Inhalt zu vermitteln. Sie waren, mit der Ausnahme von John F., in der Lage, klar zu artikulieren und Laute zu bilden. Sachen zu benennen bereitete keine Probleme. Sogar lange und wenig gebräuchliche Wörter wurden gelernt und mit bemerkenswerter Leichtigkeit behalten. Fast all die Eltern berichteten gewöhnlich mit großem Stolz, dass ihre Kinder in einem jungen Alter gelernt hatten, eine ungewöhnliche Zahl von Kinderreimen, Gebeten, Listen von Tieren, Reihenfolge von Präsidenten, das Alphabet vorwärts und rückwärts aufzusagen, sogar fremdsprachige (französische) Wiegenlieder. Abgesehen vom Nachsprechen von Sätzen, die zu den fertigen Gedichten gehörten und andere Satzteile, an die sie sich erinnerten, dauerte es lange, bevor sie begannen Wörter zusammenzusetzen. Sprache bestand also vor allen Dingen darin, etwas zu benennen, aus Substantiven, die Objekte bezeichnen, Adjektive, die Farben bezeichnen, und Zahlen, die nichts Spezifisches meinten.

Ihre ausgezeichnete Fähigkeit, etwas auswendig zu lernen, verbunden mit der Unfähigkeit, die Sprache in irgendeiner anderen Weise zu benutzen, führte die Eltern oft dazu, sie mit immer mehr Versen, zoologischen und botanischen Bezeichnungen, Titel und Komponisten von Platten und Ähnlichem vollzustopfen. Demgemäß wurde die Sprache, die die Kinder nicht kommunikativ anwandten, von Anfang an in einem beachtlichen Ausmaß zu einer auf sich bezogenen, in Bezug auf Sinn und Konversation wertlosen oder höchst verzerrten Gedächtnisübung. Für ein Kind von zwei oder drei Jahren konnten alle diese Wörter, Zahlen und Gedichte („Fragen und Antworten aus dem Presbyterianischen Katechismus“, „Mendelsohns Violinkonzert“, „der 23. Psalm“, ein französisches Wiegenlied, das Inhaltsverzeichnis einer Enzyklopädie) kaum mehr bedeuten als eine Ansammlung von unsinnigen Silben für einen Erwachsenen. Man kann schwerlich sicher wissen, ob dieser Befund essentiell den Verlauf des psychopathologischen Zustandes bestimmt hat. Aber es ist auch schwierig, sich vorzustellen, dass er nicht tief in die Entwicklung der Sprache als Werkzeug, sinnvolle Botschaften zu empfangen und zu übermitteln, einwirkte.

Was die kommunikative Funktion der Sprache anbetrifft, gibt es keinen grundlegenden Unterschied zwischen den acht sprechenden und den drei stummen Kindern. Richard wurde einmal von seiner Pflegemutter belauscht, als er deutlich „Gute Nacht“ sagte. Berechtigte Skepsis im Hinblick auf diese Beobachtung wurde später zerstreut, als dieses „stumme“ Kind im Untersuchungszimmer gesehen wurde , wie es seinen Mund bewegte und leise Wörter wiederholte, als es verschiedene Dinge nennen sollte. Die „stumme“ Virginia – behaupteten ihre Gefährtinnen in der Hütte – wurde wiederholt gehört, als sie sagte: „Schokolade“, „Marshmallow“, „Mama“, „Baby“.

Wenn schließlich Sätze gebildet werden, sind sie für eine lange Zeit meist papageienhafte Wiederholungen von Wortkombinationen, die gehört wurden. Sie kommen wie ein Echo manchmal sofort, aber sie werden genau so oft behalten und zu einem späteren Zeitpunkt geäußert. Wenn man will, kann man von verzögerter Echolalie sprechen. Als Bestätigung dafür kann man ansehen, wenn eine Frage wörtlich wiederholt wird. Um die Vorstellung „Ja“ zu erwerben, brauchen die Kinder viele Jahre. Sie können es nicht als ein Symbol für Zustimmung benutzen. Donald lernte „ja“ zu sagen, als sein Vater ihm sagte, er würde ihn auf die Schulter nehmen, wenn er „ja“ sage. Dieses Wort bedeutete dann den Wunsch, auf Vaters Schultern genommen zu werden. Es dauerte viele Monate, bevor er das Wort „ja“ von dieser besonderen Situation trennen konnte, und es dauerte noch viele länger, bis er in der Lage war, es als allgemeinen Ausdruck der Zustimmung zu benutzen.

Der gleiche Typ von Festhalten am Buchstaben besteht im Hinblick auf Präpositionen. Als Alfred gefragt wurde: „What is this picture about?“ (Auf diesem Bild geht es worum?) erwiderte er: „People are moving about.“ (Leute laufen ´rum.) John F. korrigierte die Behauptung seines Vaters über Bilder an der Wand. Die Bilder seien „nahe der Wand“. Donald T., gebeten etwas abzulegen, legte es prompt auf den Fußboden. Offensichtlich wird die Bedeutung eines Wortes zu etwas Feststehendem, und es kann nicht anders benutzt werden als mit der zuerst aufgenommenen Konnotation. Es gibt keine Schwierigkeiten mit dem Plural und den Zeiten. Aber die Tatsache, dass es keine spontanen Satzbildungen gibt und die echolalischen Wiederholungen haben bei jedem der acht sprechenden Kinder zu einem besonderen grammatischen Phänomen geführt. Personalpronomen werden genau so wiedergegeben, wie sie gehört wurden, mit keiner Veränderung, um sie der veränderten Situation passen. Das Kind, dem einmal von der Mutter gesagt wurde: „Nun will ich dir die Milch geben“, drückt den Wunsch nach Milch mit genau denselben Worten aus. Konsequenterweise kommt es dazu, dass es von sich als „du“ und von der Person, die es anspricht, als „ich“ redet. Es wird nicht nur das Wort, sondern auch die Betonung beibehalten. Wurde die ursprüngliche Aussage der Mutter in Form einer Frage gemacht, wird sie in der grammatischen Form und mit der Modulation einer Frage nachgesprochen. Das Nachsprechen „Bist du fertig für das Dessert?“ bedeutet, dass das Kind für das Dessert fertig ist. Es gibt für jede besondere Gelegenheit eine Anzahl von Sätzen, die nicht verändert werden dürfen. Die pronominale Fixierung bleibt bis ungefähr zum sechsten Lebensjahr bestehen, bis das Kind allmählich lernt, von sich in der ersten Person zu sprechen und von der angeredeten Person in der zweiten Person. Während der Übergangsphase kehrt es manchmal zur früheren Form zurück oder spricht manchmal von sich in der dritten Person.

Die Tatsache, dass die Kinder etwas nachplappern, was sie hörten, bedeutet nicht, dass sie aufpassen, wenn zu ihnen gesprochen wird. Oft sind viele Wiederholungen von Fragen oder Aufforderungen nötig, bevor eine Antwort erfolgt. Nicht weniger als sieben der Kinder wurden vorher für taub oder schwerhörig gehalten. Es besteht ein vorherrschendes Bedürfnis, ungestört gelassen zu werden. Alles, was von außen an das Kind herangetragen wird, was seine äußere oder sogar seine innere Umgebung verändert, steht für eine schreckliche Störung.

Das Füttern ist die früheste Zudringlichkeit von außen, mit der das Kind konfrontiert wird. David Levy beobachtete, dass emotional vernachlässigte Kinder, wenn sie in einem Pflegeheim untergebracht waren, wo sie gut behandelt wurden, in der ersten Zeit außergewöhnliche Mengen von Nahrung verlangten. Hilde Bruch fand bei ihren Studien mit fettleibigen Kindern heraus, dass das Zuvielessen oft damit zu tun hat, dass es zu wenig emotionale Angebote von den Eltern gibt oder sie als unbefriedigend erlebt werden. Unsere Patienten hingegen, ängstlich darauf bedacht, die Außenwelt von sich fern zu halten, zeigen dies umgekehrt mit der Verweigerung von Nahrung. Donald („erbrach während des ersten Lebensjahres viel“), Barbara („musste bis zum Alter von einem Jahr künstlich ernährt werden“), Herbert, Alfred und John zeigten große Probleme beim Füttern vom Lebensbeginn an. Die meisten von ihnen, die ständig damit bedrängt wurden, gaben schließlich nach einem erfolglosen Kampf auf und fingen plötzlich an zufriedenstellend zu essen.

Eine andere Belästigung geht von lauten Geräuschen und sich bewegenden Objekten aus, auf die sie darum mit Erschrecken reagieren. Dreiräder, Schaukeln, Aufzüge, Staubsauger, fließendes Wasser, Gasbrenner, technische Spielsachen, Schneebesen, sogar der Wind konnte gelegentlich eine große Panik verursachen. Eins der Kinder fürchtete sich aufs Klo zu gehen, wo der Hochdruckreiniger aufbewahrt wurde. Spritzen und Untersuchungen mit dem Stetoskop oder Ohrenspiegel führten zu einer ernsten emotionalen Krise. Doch es ist nicht das Geräusch oder die Bewegung an sich, die Furcht auslöst. Die Störung kommt vom Geräusch oder der Bewegung, die in die Einsamkeit des Kindes von allein eindringt oder einzudringen droht. Das Kind selbst kann fröhlich ein noch so lautes Geräusch machen und Sachen nach Herzenslust bewegen.

Aber die Geräusche und Bewegungen des Kindes und alle seine Äußerungen sind so monoton gleichbleibend wie die sprachlichen Äußerungen. Die Variationsmöglichkeiten bei spontanen Aktivitäten sind in bemerkenswerter Weise begrenzt. Das Verhalten des Kindes wird von einem zwanghaften Wunsch, alles gleich zu erhalten, bestimmt, was niemand als das Kind selbst bei seltenen Anlässen durchbrechen darf. Das Abweichen von einer Routine, von der Anordnung der Möbel, von einem Muster, von einer Ordnung, nach der der Tag abläuft, kann ihn zur Verzweiflung bringen. Als Johns Eltern dabei waren, in eine neue Wohnung umzuziehen, geriet das Kind, als es sah, wie die Möbelpacker den Teppich im Zimmer aufrollten, ganz außer sich bis zu dem Moment, als er in der neuen Wohnung sah, dass seine Möbel in derselben Weise wie vorher aufgestellt waren. Er schaute fröhlich aus, alle Ängstlichkeit war plötzlich gewichen und er lief herum und fasste bewegt jedes Teil an. Wenn einmal Klötze, Perlen, Stöcke in einer bestimmten Weise zusammengeräumt worden waren, wurden sie in exakt in derselben Weise wieder gruppiert, obgleich es dafür keine Vorlage gab. Das Gedächtnis der Kinder war in dieser Hinsicht phänomenal. Nach mehreren Tagen konnte eine Anzahl von Klötzen genau so wieder nach einem willkürlichen Muster aufgestellt werden, so dass dieselbe Farbe, dasselbe Bild oder derselbe Buchstabe eines Klotzes nach oben zeigte wie vorher. Es wurde sofort bemerkt, wenn ein Klotz fehlte oder wenn ein überzähliger Klotz da war, und es gab die unmissverständliche Aufforderung, das vermisste Teil wiederzubeschaffen. Wenn jemand einen Klotz wegnahm, kämpfte das Kind darum, ihn zurückzubekommen, geriet in einen panischen Zustand, bis es ihn wiederbekommen hatte und dann kehrte es sofort und mit einer plötzlichen Ruhe nach dem Sturm zu dem Bauwerk zurück und legte den Klotz an seinen Platz.

 

Das Bestehen auf Gleichförmigkeit führte bei verschiedenen Kindern dazu, dass sie sehr verstört reagierten, wenn sie etwas sahen, was zerbrochen oder nicht vollständig war. Ein großer Teil des Tages wurde damit verbracht, nicht nur denselben Wortlaut einer Frage zu fordern, sondern auch die Gleicherhaltung der Reihenfolge der Ereignisse. Donald wollte nach seinem Mittagsschlaf nicht das Bett verlassen, bevor er gesagt hatte: „Boo, sag ‚Don, willst du jetzt aufstehen?’“ und bis die Mutter reagiert hatte. Aber das war nicht alles. Die Sache wurde noch nicht als vollständig fertig betrachtet. Donald fuhr fort: „Sag nun ‚In Ordnung.’“ Wieder musste die Mutter sich fügen oder es gab Geschrei, bis das „Spiel“ fertig war. Das ganze Ritual war ein berechenbarer Teil der Handlung, nach einem Schläfchen aufzustehen. Jede andere Aktivität musste von Anfang bis zum Ende so durchgeführt werden, wie sie ursprünglich angefangen hatte. Es war unmöglich, von einem Spaziergang zurückzukommen, ohne denselben Weg zurückgelegt zu haben, der davor zurückgelegt worden war.

Der Anblick eines zerbrochenen Querbalkens an einem Garagentor brachte Charles während seiner gewöhnlichen täglichen Tour so außer sich, so dass er wochenlang darüber redete und Fragen stellte, sogar noch, als er einige Tage in einer entfernten Stadt verbrachte. Eins der Kinder bemerkte ein Knacken in der Decke des Untersuchungszimmers und fragte immer wieder ängstlich, wer die Decke beschädigt habe, sie konnte nicht beruhigt werden, nicht durch irgendeine Antwort, die ihr gegeben wurde. Ein anderes Kind, das eine Puppe mit einem Hut und eine andere ohne einen Hut sah, konnte nicht zufrieden gestellt werden, bis der andere Hut gefunden und der Puppe aufgesetzt war. Er verlor dann das Interesse an den beiden Puppen. Gleichheit und Vollständigkeit waren wieder hergestellt, und alles war wieder gut.

Die Veränderungsangst und Angst vor Unvollständigkeit scheint ein Hauptfaktor bei der Erklärung der monotonen Wiederholungen und der daraus resultierenden begrenzten Variation spontaner Aktivitäten zu sein. Eine Situation, eine Handlung, ein Satz wird nicht als komplett erachtet, wenn er nicht aus denselben Elementen besteht, die dazu gehörten, als das Kind zum ersten Mal damit konfrontiert wurde. Wenn der kleinste Bestandteil geändert oder entfernt wurde, ist die ganze Situation nicht mehr dieselbe und wird nicht als solche akzeptiert oder es wird mit Ungeduld zurückgewiesen oder es wird mit großer Frustration reagiert. Die Unfähigkeit, etwas Ganzes zu erfassen ohne volle Aufmerksamkeit für die einzelnen Teile, aus denen es besteht, ist etwas, was an die Not der Kinder mit einer spezifischen Leseschwäche erinnert, die auf die moderne ganzheitliche Leselernmethode nicht ansprechen, sondern denen beigebracht werden muss, Wörter aus ihren alphabetischen Elementen aufzubauen. Das ist vielleicht einer der Gründe, warum die Kinder aus unseren Gruppen, die alt genug waren, um lesen zu lernen, sofort damit beschäftigt waren, die Wörter zu „buchstabieren“, oder warum Donald zum Beispiel so verstört über die Tatsache war, dass „light“ und „bite“ dieselbe phonetische Qualität haben, aber unterschiedlich buchstabiert werden.

Objekte, die ihr Aussehen und ihre Lage nicht verändern, die gleich bleiben und niemals das Alleinsein des Kindes zu stören drohen, werden von dem autistischen Kind leicht akzeptiert. Es hat eine gute Beziehung zu Sachen. Es ist an ihnen interessiert, kann damit glücklich stundenlang spielen. Es kann sie sehr gern haben oder kann z.B. auf sie böse werden, wenn sie sich nicht an einem bestimmten Platz einpassen lassen. Wenn es damit umgeht, hat es eine befriedigende Art von unbestreitbarer Kraft und Kontrolle. Donald und Charles begannen im zweiten Lebensjahr mit dieser Kraft zu experimentieren, indem sie alles kreiseln ließen, was man kreiseln lassen konnte, und sie sprangen auf und ab wie in Ekstase, wenn sie sahen, wie die Gegenstände rotierten. Frederik „sprang mit großem Vergnügen auf und ab“, als er kegelte und sah, wie die Kegel umfielen. Die Kinder spürten dieselbe Kraft im eigenen Körper, nahmen sie wahr und erfuhren sie bei rollenden und anderen rhythmischen Bewegungen im eigenen Körper. Diese Aktivitäten und die sie begleitende Begeisterung zeigen deutlich, dass ein selbstbefriedigender orgastischer Genuss damit verbunden ist.

Die Beziehung der Kinder zu Personen ist ganz und gar anders. Jedes der Kinder suchte, als es das Untersuchungszimmer betrat, sofort Klötze, Spielsachen oder andere Dinge, ohne den anwesenden Personen die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Es wäre falsch zu behaupten, dass sie die Anwesenheit der Personen nicht wahrnahmen. Aber die Personen hatten, solange sie das Kind in Ruhe ließen, die gleiche Bedeutung wie der Tisch, das Bücherregal oder der Aktenschrank. Wenn das Kind angesprochen wurde, ärgerte es sich nicht. Er hatte die Wahl überhaupt nicht zu reagieren, wenn eine Frage zu insistierend wiederholt wurde, oder sie zu übergehen und mit dem weiter zu machen, was er gerade gemacht hatte. Kommen und Gehen, sogar der Mutter, schien er nicht zu registrieren. Gespräche, die im Raum geführt wurden, riefen kein Interesse hervor. Wenn die Erwachsenen nicht versuchten, in die Domäne des Kindes einzudringen, berührte es zuweilen, weil er sich zwischen ihnen bewegte, sanft eine Hand oder ein Knie, wie er sonst den Tisch oder die Couch anfasste. Aber er guckte einem nie ins Gesicht. Wenn ein Erwachsener energisch auf ihn zuging, ihm einen Klotz wegnahm oder auf einen Gegenstand trat, den das Kind benutzte, kämpfte das Kind und wurde auf die Hand oder den Fuß ärgerlich, die es nicht als Teile einer Person behandelte. Er wandte sich nie mit einem Wort oder einem Blick an den, zu dem die Hand oder der Fuß gehörte. Wenn der Gegenstand wiedererlangt war, wurde das Kind sofort ruhig. Als es gepiekst wurde, zeigte es Angst vor der Nadel und nicht vor der Person, die ihn piekste.

Die Beziehung zu den Familienangehörigen oder zu anderen Kindern unterschied sich nicht von der zu den Leuten im Untersuchungszimmer. Ein auffallendes Bestreben allein zu sein bestimmte das ganze Verhalten. Vater oder Mutter oder beide konnten für eine Stunde oder einen Monat weg sein. Bei ihrer Rückkehr gab es keine Anzeichen dafür, dass das Kind ihre Abwesenheit überhaupt registriert hat. Nach vielen Ausbrüchen aus Frustration lernte es allmählich und widerstrebend Kompromisse einzugehen. Wenn es keinen Ausweg findet, befolgt es gewisse Anordnungen, macht mit bei täglichen Routineangelegenheiten mit, aber es besteht immer auf die Einhaltung seiner Rituale. Wenn eine Gesellschaft ist, läuft er „wie ein Fremder“ zwischen den Leuten herum oder wie eine Mutter es nennt, „wie ein Fohlen, das man aus einem Gehege herausgelassen hat.“ Wenn es mit anderen Kindern zusammen ist, spielt es nicht mit ihnen. Es spielt allein, während sie um ihn herum sind, geht keinen Kontakt mit ihnen ein, weder körperlich noch durch Mimik oder mit Worten. An Wettbewerbsspielen nimmt es nicht teil. Es ist nur da, und wenn es manchmal bis an die Gruppe herankommt, zieht es sich sofort zurück und bleibt allein. Gleichzeitig kennt es schnell die Namen aller Kinder der Gruppe, kennt möglicherweise die Haarfarbe von jedem Kind und andere Details von jedem Kind.

Es kann weitaus mehr mit Bildern von Personen anfangen als mit den Personen selbst. Bilder können sich im Übrigen nicht einmischen. Charles war gefühlsmäßig an dem Bild eines Kindes in einer Zeitschriftenanzeige interessiert. Er machte wiederholt Bemerkungen über die Schönheit und Nettigkeit des Kindes. Elaine war von Tierbildern fasziniert, aber ging nicht in die Nähe eines lebendigen Tieres. John unterschied nicht zwischen realen und abgebildeten Menschen. Als er ein Gruppenfoto sah, fragte er im Ernst, wann die Leute aus dem Bild in das Zimmer kommen würden.

Obwohl die meisten dieser Kinder immer mal wieder als geistesschwach angesehen wurden, waren sie alle ohne Frage mit einem guten kognitiven Potential ausgerüstet. Sie hatten ausdrucksvolle, intelligente Physiognomien.

Ihre Gesichter vermittelten den Eindruck von großer Ernsthaftigkeit und in Gegenwart Anderer von ängstlicher Spannung, wahrscheinlich, weil sie sich schwer auf mögliche Störungen einstellen konnten. Wenn sie allein mit Gegenständen sind, sieht man oft ein zufriedenes Lächeln und einen Ausdruck von Schönheit, manchmal verbunden mit einem fröhlichen, wenn auch monotonen Summen und Singen. Der erstaunliche Wortschatz der sprechenden Kinder und das ausgezeichnete Gedächtnis für Ereignisse, die jahrelang zurückliegen, das phänomenale Gedächtnis für Gedichte und Namen und die Fähigkeit, komplexe Muster genau reproduzieren zu können, sprechen für eine gute Intelligenz in dem Sinn, in dem das Wort sonst allgemein gebraucht wird. Binet- oder ähnliche Tests konnten nicht durchgeführt werden, weil man nicht gut genug an das Kind herankam. Aber alle Kinder taten sich mit dem Seguin-Formenbrett leicht.

Körperlich waren die Kinder im Wesentlichen normal. Fünf hatten relativ große Köpfe. Einige Kinder waren etwas ungeschickt im Gang und bei grobmotorischen Verrichtungen, aber alle waren sehr geschickt, wenn es um die feinmotorische Muskelkoordination ging. Die Elektroencephalogramme waren in allen Fällen normal, außer bei John, dessen vordere Fontanelle sich nicht schloss bis er zweieinhalb Jahre alt war und der mit fünf-einviertel Jahren zwei Serien von vorwiegend rechtsseitigen Anfällen hatte. Frederick hatte in der Achselhöhle eine überzählige Brustwarze. Es gab keine anderen Beispiele für angeborene Abnormitäten.

Es gibt einen anderen gemeinsamen Nenner, was die Herkunft der Kinder anbelangt. Sie kommen alle aus hoch intelligenten Familien. Vier Väter sind Psychiater, einer ist ein brillianter Rechtsanwalt, einer Chemiker und Abgänger der Rechtsfakultät, beschäftigt im staatlichen Patentamt, einer ist Pflanzenpathologe, einer Professor für Forstwirtschaft, einer Werbetexter mit einem juristischen Abschluss, er hat an drei Universitäten studiert, einer ist Bergbauingenieur und einer erfolgreicher Geschäftsmann. Neun der elf Mütter haben einen College-Abschluss. Von den beiden, die nur eine Highschool-Ausbildung haben, war eine Sekretärin in einem pathologischen Laboratorium und die andere betrieb vor ihrer Verheiratung in New York City ein Geschäft für Theaterkarten. Unter den anderen war eine freie Schriftstellerin, eine Ärztin, eine Psychologin, eine diplomierte Krankenschwester und Fredericks Mutter war nacheinander Einkäuferin einer Mädchenschule, die Direktorin für die Ausbildung von Sekretärinnen und Geschichtslehrerin. Unter den Großeltern und Verwandten waren viele Ärzte, Wissenschaftler, Schriftsteller, Journalisten und Kunststudenten. Alle, außer drei Familien, kamen entweder im „Who is who in America“ oder im „American Men of Science“ oder in beiden vor.

Zwei der Kinder sind jüdisch, die anderen sind angelsächsischer Herkunft. Drei sind Einzelkinder, fünf sind die Älteren von zwei Kindern in den jeweiligen Familien, eins ist das älteste von drei Kindern, eins ist das jüngere von zwei und eins ist das jüngste von drei.

 

Kommentar

 

Das Zusammenkommen von extremem Autismus, Zwanghaftigkeit, Stereotypien und Echolalie bringt das ganze Bild in die Nähe von einigen grundlegenden Phänomenen der Schizophrenie. Einige Kinder sind tatsächlich manchmal als zu diesem Typ gehörig diagnostiziert worden. Aber trotz der bemerkenswerten Ähnlichkeiten unterscheidet sich der Zustand in vieler Hinsicht von allen anderen bekannten Beispielen kindlicher Schizophrenie.

 

Zunächst muss man feststellen, dass sogar bei den ersten berichteten Fällen von Schizophrenie, einschließlich der dementia praecocissima nach De Sanctis und der kindlichen Schizophrenie nach Heller der früheste beobachtbare Ausbruch (der Krankheit) in einem Alter von mindestens zwei Jahren lag, und das bei im Wesentlichen normaler Entwicklung. Die Krankheitsgeschichten heben besonders hervor, dass es sich um eine allmähliche Veränderung im Verhalten der Patienten handelte. Die Kinder unserer Gruppe haben alle von Anfang ihres Lebens an eine extreme Aufsichbezogenheit gezeigt, was nichts mit irgendetwas, was von außen auf sie zukam, zu tun hatte. Dies wird am charakteristischsten ausgedrückt, wenn jemand wiederholt berichtet, dass das Kind, wenn es aufgenommen wird, keine antizipatorische Haltung annimmt und dass sich sein Körper nicht dem Körper der Person, die ihn hält, anschmiegt.

Zweitens sind unsere Kinder in der Lage, mit Objekten, die ihr Für-sich-sein nicht zu stören drohen, ausgezeichnet zielgerichtet und „intelligent“ umzugehen, aber sie sind von Anfang an ängstlich und unzugänglich in Bezug auf Personen, zu denen sie lange Zeit keine irgendwie geartete affektive Beziehung haben. Wenn es unabwendbar ist, sich auf eine Person einzulassen, dann wird eine temporäre Beziehung mit Hand oder Fuß der Person aufgenommen als wie mit einem Objekt, aber nicht mit der Person selbst.

Alle Aktivitäten und Äußerungen der Kinder werden fest und konsequent von dem übermächtigen Wunsch bestimmt, allein zu bleiben und alles gleich zu erhalten. Ihre Welt muss ihnen erscheinen, als sei sie aus Elementen zusammengesetzt, so dass, wenn sie etwas in einer bestimmten Reihenfolge und Anordnung erlebt haben, eine andere Reihenfolge und Anordnung nicht toleriert werden kann. Auch kann die Anordnung und Reihenfolge nicht akzeptiert werden, ohne dass die ursprünglichen Bestandteile ihre räumliche oder chronologische Ordnung haben. Daher der zwanghafte Drang zur Wiederholung. Daher das Nachsprechen von Sätzen ohne die Pronomen anzupassen. Daher vielleicht auch die Ausbildung eines wirklich phänomenalen Gedächtnisses, das es einem Kind ermöglicht, komplexe unsinnige Muster, unabhängig davon, wie wenig geordnet sie sind, in exakt der gleichen Art, wie sie ursprünglich waren, zu wiederholen.

Fünf unserer Kinder haben nun ein Alter zwischen neun und elf Jahren erreicht. Außer Vivian S., die in eine Schule für Schwachsinnige abgeschoben wurde, zeigen sie eine interessante Entwicklung. Der grundlegende Wunsch, allein zu sein und der Wunsch, dass alles gleich bleibt, ist im Wesentlichen unverändert geblieben, aber es hat ein unterschiedlich starkes Aufgeben der Vereinzelung gegeben, das Akzeptieren von wenigstens einigen Menschen, die im Bewusstsein des Kindes eine Rolle annehmen, und eine zufriedenstellende Zunahme an Verhaltensmustern, die den früheren Eindruck eines begrenzten geistigen Vermögens widerlegen. Man kann es vielleicht so sagen: Während der Schizophrene sein Problem zu lösen versucht, indem er aus der Welt aussteigt, von der er ein Teil gewesen ist und mit der er verbunden war, gehen unsere Kinder allmählich einen Kompromiss ein, indem sie vorsichtig ihre Fühler in eine Welt ausstrecken, in der sie von Anfang an absolute Fremdlinge waren. Zwischen fünf und sechs Jahren geben sie allmählich die Echolalie auf und lernen spontan die Personalpronomen in richtiger Zuordnung zu gebrauchen. Die Sprache wird kommunikativer, zuerst im Sinne von Frage-Antwort-Übungen und dann im Sinne größerer Spontaneität bei der Satzbildung. Nahrung wird ohne Probleme akzeptiert. Geräusche und Bewegungen (von Anderen) werden besser als früher ausgehalten. Die Panik-Attacken legen sich. Der Wiederholungszwang nimmt die Form eines zwanghaften Beschäftigtseins an. Kontakt mit einer begrenzten Anzahl von Personen wird in zweifacher Weise aufgenommen: Personen werden in die Welt des Kindes so weit einbezogen, wie sie seine Bedürfnisse befriedigen, seine drängenden Fragen beantworten, ihm das Lesen und das Tätigwerden beibringen. Zweitens, obwohl Personen noch als Störung betrachtet werden, werden ihre Fragen beantwortet und ihre Aufträge widerstrebend ausgeführt, mit der Einsicht, dass es am besten ist, diese Einmischungen hinter sich zu bringen, um schneller zu dem noch sehr gewünschten Alleinsein zurückzukehren. Zwischen sechs und acht Jahren beginnen die Kinder in einer Gruppe zu spielen, doch nie mit den anderen Gliedern der Spielgruppe, aber doch am Rand neben der Gruppe. Lesefähigkeit wird schnell erworben, aber die Kinder lesen mit monotoner Stimme, und eine Geschichte oder ein Film wird eher in seinen unzusammenhängenden Teilen denn als ein zusammenhängendes Ganzes aufgenommen. All dieses bringt die Familie dazu zu meinen, dass es trotz der erkannten Unterschiede zu anderen Kindern einen Fortschritt und eine Besserung gibt.

Es ist nicht einfach, die Tatsache auszuwerten, dass all unsere Patienten hoch intelligente Eltern haben. Es ist gewiss, dass im familiären Umfeld recht viel Zwanghaftigkeit vorkommt. Die sehr genauen Tagebuchaufzeichnungen und Berichte und die vielen Erinnerungen, noch Jahre später, dass die Kinder 25 Fragen und Antworten aus dem Presbyterianischen Katechismus aufsagen oder 37 Kinderlieder singen oder 18 Symphonien unterscheiden konnten, geben ein anschauliches Bild von der elterlichen Zwanghaftigkeit ab. Eine andere Tatsache fällt deutlich auf. In der ganzen Gruppe gibt es sehr wenige warmherzige Väter und Mütter. In den meisten Fällen sind die Eltern, Großeltern und Verwandten Personen, die sich sehr mit abstrakten Themen in Wissenschaft, Literatur oder künstlerischer Art beschäftigen und deren eigentliches Interesse an Menschen begrenzt ist. Sogar einige der glücklichsten Ehen sind eher kalte und formale Angelegenheiten. Drei Ehen waren traurige Fehlentscheidungen. Die Frage stellt sich, ob und in welchem Ausmaße diese Tatsache den Zustand der Kinder mitbestimmt hat. Die Vorliebe der Kinder vom Beginn des Lebens an für sich zu sein macht es schwer, das ganze Bild ausschließlich auf die frühen elterlichen Beziehungen zu unseren Patienten zu schieben.

Wir müssen dann annehmen, dass diese Kinder mit einer angeborenen Unfähigkeit, normale biologisch bedingte affektive Kontakte mit Menschen aufzunehmen, auf die Welt gekommen sind, so wie andere Kinder mit angeborenen körperlichen oder intellektuellen Behinderungen auf die Welt kommen. Wenn diese Annahme richtig ist, kann eine weitere Studie mit unseren Kindern helfen, konkrete Kriterien aufzustellen, die die noch diffusen Bemerkungen über die konstitutionelle Komponente emotionaler Reaktionsfähigkeit untersucht. Vorerst scheinen wir „Rein-Kultur“-Beispiele für angeborene autistische Störungen im affektiven Kontaktverhalten zu haben.

 

 

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